Reiseberichte der Israelreise 2017

Israel für Fortgeschrittene, Jordanien für Einsteiger – ein Rückblick

Nicht Haifa, Tiberias, Bet Shean, Jericho oder Beer Sheva standen auf dem Programm der diesjährigen Israelreise der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft, dafür aber der Keshet Eilon Campus, der Adamit Park, das Galil Maaravi Medical Center, die Kibbutzim Ein Harod und Eilot, das Widor-Landwirtschaftszentrum, um nur einige der höchst spannenden Programmpunkte zu nennen, die vertieften Einblick in spezielle Problemlagen des

Landes gewährten. Ebenso nachhaltig und wichtig waren die Gespräche mit Journalisten in Amman und Jerusalem sowie in der Deutschen Botschaft und ein Besuch der armenischen Gemeinde in Jerusalem.

Allein die Aufzählung einiger der Programmpunkte macht deutlich, wie groß das Spektrum der Themen und damit der Eindrücke war, das aber auch nur einen Tupfer der Vielfältigkeit des Landes, der Probleme und der Lösungsversuche darstellt. Stellvertretend für viele sollen hier nur einige Problemfelder skizziert werden:

  1. Die medizinische Versorgung in Friedens- wie in Kriegszeiten.

Beispielhaft dafür steht das Galil Maaravi Medical Center in Nahariya, ein Krankenhaus in Sichtweite zur israelisch-libanesichen Grenze, das größte in Galiläa. In 722 oberirdischen Betten werden in Friedenszeiten Juden, Moslems, Christen und Drusen aus der Umgebung behandelt und versorgt. In der Zeit von März 2013 und April 2017 haben sich Ärzte und Pfleger auch um ca. 1.500 syrische Bürgerkriegsopfer gekümmert. Im Gespräch mit dem Direktor des Krankenhauses, einem israelischen Araber, wurde immer wieder auf das Prinzip der „people to people medicine“ als ethischem Grundsatz der Arbeit in dem Krankenhaus verwiesen. Besonders beeindruckend war die Tatsache, dass im Krisenfall in wenigen Stunden das Krankenhaus unter die Erde in einen Bunker verlegt werden kann, ohne dass es Einschränkungen im Betrieb von der Erstuntersuchung bis zur Operation gibt.

  1. Der Erhalt und die Ausnutzung der natürlichen Grundlagen des Landes.

Orangen, Bananen, Avocados im Norden des Landes – kein Problem, aber in der Wüste, im Negev? Im Widor-Landwirtschaftszentrum bei Hazeva im Negev wird dem erstaunten Besucher verdeutlicht, dass es auch in der Wüste möglich ist, Auberginen, Erdbeeren, Tomaten oder Paprika anzubauen. Durch intelligente Lösungen bei der Verwendung von fruchtbarem Boden und optimaler Ausnutzung von Feuchtigkeit konnten prachtvolle landwirtschaftliche Ergebnis bestaunt werden, die gerade in den Wintermonaten für stattliche Exporterlöse sorgen.

Aber auch die Aufforstung und der Erhalt der Wälder im Norden des Landes spielt für die israelische Lunge eine große Rolle. Von den Erfolgen, gefördert auch durch den jüdischen Nationalfonds, konnten wir uns im Adamit Park im Schatten der libanesichen Grenze überzeugen.

Apropos, was ist eigentlich in den Kibbuzim los, den Keimzellen der Gründungsgesellschaft Israels? Nun ja, vom ursprünglichen Standbein der Landwirtschaft und Tierzucht können die noch überlebenden und die Gesellschaftsform weitgehend gepflegt habenden Kibbuzim nicht mehr leben. Seit langem schon hat der Tourismus Einzug gehalten, aber auch die Fabrikation hochwertiger Industrieprodukte. Von dem Erfolg konnten wir in Ein Harod und in Eilot einen Eindruck gewinnen.

  1. Die Nachbarn und die Sicherheitslage.

Rückblickend war der Zeitpunkt unserer Reise ausgesprochen glücklich gewählt. Der amerikanische Präsident hatte sich seinen Paukenschlag für die Vorweihnachtszeit aufgehoben und so blieb es während unseres Besuches ruhig. Ruhig heißt, dass es überall hohe Sicherheitsstandards gibt, die mögliche Anschläge zu verhindern versuchen. Interessant war in den Gesprächen, vor allem mit dem langjährigen Korrespondenten Ulrich Sahm, zu erfahren, wie unterhalb der politischen Ebene, also auf der Arbeitsebene der Sicherheitsbehörden, die Zusammenarbeit zwischen den israelischen Behörden und der palästinensichen Seite und auch mit anderen Nachbarn funktioniert. In dieser Kooperation liegt auch ein Schlüssel zum Erfolg, die immer wieder auch den Friedensprozess störenden Attentate zu unterbinden. Ähnliches gilt auch für die Zusammenarbeit zwischen den ägyptischen Behörden und den Israeli. Das Interesse, die Ruhe zu bewahren, um vor allem sicherheitspolitische und ökonomische Interessen nicht zu gefährden, ist groß.

Das sind nur drei thematische Schwerpunkte, die die Reiseeindrücke beeinflusst haben. Das Verhältnis von jüdischen und arabischen Israeli, die Auseinandersetzung über die Shoa gerade mit und durch diese beiden Bevölkerungsgruppen in Lohamei Hagetaot oder der Besuch der Knesset und damit ein Einblick in das politische Zusammenleben hätten eine ebenso schwerpunktmäßige Betrachtung verdient.

Touristisch, aber auch hoch spannend und beeindruckend, war der Besuch in Jordanien, einer haschemitischen Monarchie mit erheblichen sozialen Gegensätzen, einem Land ohne Zugang zum Meer und ohne nennenswerte Bodenschätze, aber mit einer faszinierenden Natur. Für alle Mitreisenden war der Besuch in der Nabatäerstadt Petra einer der Höhepunkte der Reise. Auch die Jeepfahrt im Wadi Rum und der Ritt auf einem Kamel bleiben unvergessen.

Reiseleiterinnen und Reiseleiter, in welchem Land auch immer, haben die Aufgabe, ihr Land dem Gast in positiver Erinnerung zu hinterlassen. Dafür gibt es verschiedene Strategien. Eine nur objektive Wahrheit gibt es dabei nicht, das war auch auf dieser Reise so. Das muss man aushalten. Auch wenn das Herz für die eine Seite schlägt, sollte die kritische Distanz zu beiden Seiten nicht verloren gehen.

Die Israel-Jordanien-Fahrt 2017 war ein voller Erfolg. Mit Leidenschaft von Maya Zehden geleitet, soll ihr an dieser Stelle herzlich Dank gesagt werden. Die Reisegruppe war sehr verschieden, aber in der gemeinsamen Zeit und in der Dankbarkeit für das Erlebte eine Einheit. Die Reisegruppe setzte sich aus am Thema Interessierten zusammen, die sich nicht als Repräsentanten der DIG-Berlin verstanden. Diese sympathische Diversität sollte auch in der Positionierung in Gesprächen nicht verloren gehen.

Von Andreas Stephan

 

Vergangenheit und Zukunft unauflöslich miteinander verbinden – Besuch im Museum der Ghettokämpfer im Kibbuz Lohamel Haghetot

am Donnerstag, 26. Oktober 2017

Lohamel Haghetot , das ist ein einzigartiger Ort in Westgaliläa mit einer einzigartigen Geschichte. Es ist ein Kibbuz, in dessen Mitte sich das erste Holocaust – Museum der Welt befindet, das Museum für die Ghettokämpfer und die Gedenkstätte für die Kinder, die Opfer des Holocaust wurden.

Eine zentrale Aufgabe sieht man hier darin, vor allem Kindern und Jugendlichen, auch arabischen, die Geschichte des Holocaust zu vermitteln.

„Wenn man arabisch aufwächst ist die Chance, etwas  über den Holocaust zu erfahren, gleich Null.“ Yarif Lapid, Direktor für Humanistische Bildung im Museum der Ghettokämpfer fasst seine Erfahrungen so zusammen. Er betrachtet es als seine Hauptaufgabe, jungen Israelis, Juden und Arabern, die Geschichte des Holocaust zu vermitteln. Aber auf arabischer Seite werde der Holocaust entweder ganz schlicht geleugnet oder als zionistische Erfindung dargestellt, um Schuldgefühle bei Deutschen zu wecken und eine anti-palästinensische Politik durchzusetzen. Lapid hat sich vorgenommen, gegen diese Propaganda anzugehen und  auch arabischen Schülern die Chance zu geben, die historische Wahrheit zu erfahren. Er tut dies in der Gedenkstätte, Lad LaYehed, die dem Andenken der Kinder im Holocaust gewidmet ist. Trotz aller Widerstände auf arabischer  Seite, ist es Lapid und seinen Kollegen gelungen, mit einigen Schuldirektoren zusammenarbeiten, die es ihren Schülern ermöglichen, an den  Bildungsprogrammen des Museums teilzunehmen. Und sie haben arabische Lehrer dazu gewinnen können mitzumachen, obwohl diese oft mit dem Vorwurf leben müssen, sie ließen sich vom israelischen Staat korrumpieren, um ihren Kindern einen Platz an einer Universität zu ergattern. Es sei entscheidend, Vertrauen zu schaffen und den Verdacht aus der Welt zu räumen, es gehe um eine Art Gehirnwäsche, sagt Lapid. In dem Bildungsprojekt versuchen jedenfalls jüdische und arabische Lehrer gemeinsam, den Kindern und Jugendlichen von heute die Schrecken und das Leid , das Gleichaltrige im Holocaust erfahren mussten, zu vermitteln. Eine unendlich schwere Aufgabe, so Lapid, bei der es wichtig sei, den Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen trotz  des Grauens die Hoffnung nicht zu rauben. Viel Behutsamkeit erfordert diese Aufgabe und die Bereitschaft zu intensiven Diskussionen auch darüber, wie es sein konnte, dass in Deutschland so viele ganz normale Menschen zu Mördern wurden.

Das Museum für die Kinder im Holocaust ist das erste dieser Art und ermöglicht Jugendlichen ab 10 Jahren  die Begegnung mit der Schreckenswelt, die jüdische Kinder in Europa erleben mussten. Sie tut dies auf sehr konkrete und erschütternde Weise durch die Ausstellung authentischer Gegenstände aus dem Alltag, durch die Präsentation von Tagebüchern und Berichten von Überlebenden, Dokumentarfilmen und Videoinstallationen. Ein Zeugnis stammt von Antek Zuckerman, dem stellvertretenden Kommandeur des Warschauer Ghettos. Er berichtet von einem Jungen, der ihn bittet, ihm dabei zu helfen, einen Geigenlehrer zu finden. Das war für diesen Jungen in all dem Elend wichtiger als der Hunger, den er litt.

Das Museum für die Kinder im Holocaust wurde 1995 gegründet. Die Geschichte des Kibbuz Lohamel Haghetot und des Ghettokämpfer-Museums geht jedoch viel weiter zurück.

Es war 1949, als einige Überlebende des Holocaust in West Galiläa den Kibbuz  und zugleich das Museum für die Ghettokämpfer gründeten. Im Kibbuz wollten sie eine neue Heimat in ihrem Traumland Israel finden und gemeinsam die Zukunft gestalten. Aber dies sollte in Erinnerung an die gemeinsam überlebten Schrecken der Vergangenheit geschehen. Diese Erinnerung zu bewahren und wachzuhalten und gleichzeitig Neues aufzubauen, das gehört an diesem Ort unauflösbar zusammen.

Das Museum erzählt die Geschichte des Holocaust, der Ghettos und der Vernichtungslager und  berichtet ebenso vom Mut und der Unbeugsamkeit vieler Menschen und ganz besonders auch vom jüdischen Widerstand. In Zeiten übermächtiger und unentrinnbarer Verfolgung und Unterdrückung konnte schon das Schmuggeln eines Stücks Brot , die Rettung einer Thora-Rolle als Widerstand gelten, wie es in einem ausgestellten Gedicht heißt. Informationen zu sammeln und zu verbreiten, Menschen über die Grenze zu bringen und schließlich der Griff zur Waffe, der Aufstand in den Ghettos, die Rebellion in den Lagern – die Formen des Widerstands waren vielfältig und zeugen vom unbedingten Willen, die Würde zu bewahren.

In der „Yizkor Hall“ werden die Zeugnisse  dieser Vergangenheit auf Knopfdruck sichtbar: Bilder und Tagebuchaufzeichnungen, Briefe, Alltagsgegenstände, ein Puppenkleid, religiöse Gegenstände.

Das Ghettokämpfer – Museum ist das erste Holocaust-Museum in Israel und weltweit. Gegründet wurde es von jungen Menschen, die den Kampf gegen die Nazis überlebt haben. Sie wollten weder ein Museum im engen Sinn noch ein Denkmal, sondern  ein Haus, in dem die Erinnerung bewahrt und zugleich der Wille dokumentiert wird, nach vorne zu blicken. In dieser Verbindung von Vergangenheit und Zukunft ist dieser einzigartige Ort von besonders spürbarer Aktualität.

Von Margarete Limberg

 

Kurzbericht zur Besichtigung Jordaniens:

Auf unserer Israel/Jordanien-Reise mit der DIG Berlin waren wir am 27.10.17 auf dem Weg zur Felsenstadt Petra in Amman. Zunächst Besichtigung der Zitadelle, wo die Weltreiche der Antike ihre Spuren hinterlassen haben; von dort war auch das das römische Theater mit 6.000 Sitzplätzen im gegenüberliegenden Tal gut zu sehen. Es folgte eine kurze Stadtrundfahrt mit vielen eng bebauten Vierteln ohne einen Baum – Ammans Bevölkerung hat sich binnen 100 Jahren von 5.000 Einwohnern auf 4 Mio vertausendfacht.

Abends konnten wir im Hotel eine muslimische Hochzeit beobachten. Dann gab es ein Date mit einem jungen Journalisten. Der Vortrag von Herrn Thore Schröder war ein informativer Abriss über die aktuelle Lage in Nahost. Die Flüchtlingszahlen sind seit Jahrzehnten stabilitätsgefährdend und seit dem Syrischen Bürgerkrieg nochmals gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Und die ethnische Herkunft entscheidet in Jordanien über Karrieren und fast alles; die (islamische) Religion greift trotz einer toleranten Regierung in das Leben auch der Nichtmuslime ein. Als sehr interessant erwiesen sich die Schilderungen über die komplizierte Lebenssituation der Jordanier: Die Postmitarbeiter weigern sich einen Brief zu befördern, wenn er an eine Adresse in Israel gehen soll; zurzeit ist die israelische Botschaft im Land geschlossen was verhindert, dass ein Jordanier nach Israel reisen kann u. s. w.
Für den Abend war eine Stunde geplant. Dass es 2 ½ Stunden gedauert hat, spricht für sich.

Von Günter Eggers

Share this post