DIG Berlin und Potsdam und GCJZ luden im 60. Jahr der Staatsgründung Israels vom 15. bis 25. Mai 2008 erneut zu einer Israel-Reise ein.

Am 26. April 2010 las Eckhard-Rainer Kendler aus seinem Reisetagebuch von der DIG-Israelreise 2008


Vom 15. bis 25. Mai 2008
reiste eine 33-köpfige Reisegruppe von Mitgliedern der DIG und Potsdam und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ), darunter fünf Abgeordnete aus Brandenburg und einige Neuinteressierte, nach Israel. Die Reise bot wie immer eine Mischung aus spannenden Begegnungen und touristischen Highlights. Bei der Planung kamen der DIG auch diesmal ihre langjährigen persönlichen Kontakte und Freundschaften, aber auch ihre guten Drähte zu Forschungseinrichtungen, politischen und kulturellen deutschen Mittlern sowie Nichtregierungsorganisationen zugute. In bewährter Tradition war auch diesmal Yaron Abramov vor Ort unser Guide.

Die Gruppe am Grab von Staatsgründer David Ben Gurion in Sde Boker. Von dort kann man fast die ganze Wüste Negev überblicken.
Die Gruppe am Grab von Staatsgründer David Ben Gurion in Sde Boker/Mizpe Ramon. Von dort kann man fast die ganze Wüste Negev überblicken.

Die diesjährigen Höhepunkte waren das Treffen mit dem erfolgreichen Unternehmer und pragmatischen Friedensaktivisten Stef Wertheimer in Tefen, Gründer mehrerer Industrieparks und Empfänger der Buber-Rosenzweig-Medaille 2008, sowie mit dem arabischen Gründer und Direktor des „Arab Institute for Holocaust Reasearch and Education, Khaled Kasab Mahameed in Nazareth. Er versucht gegen alle Widerstände seine  arabischen und palästinensischen Nachbarn von der Bedeutung des Holocaust für Israel und die Juden zu überzeugen, da er dies für eine unabdingbare Voraussetzung einer Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern hält. Nur dann seien auch die jüdischen Israelis bereit, Empathie für das Leid der Palästinenser zu entwickeln. Dabei orientiert er sich an der Lehre von Mahatma Gandhi, der Satyagraha (Kraft der Wahrheit).

Khaled K. Mahameed und Ministerialrat a.D. Eckhard Kendler
Khaled K. Mahameed und Ministerialrat a.D. Eckhard Kendler
Stef Wertheimer, deutscher Herkunft und in Israel zum Wirtschafts-Tykoon aufgestiegen, empfing uns in seinem 1983 gegründeten Industriepark Tefen in Obergaliläa. Wir sahen zunächst die neueste Version eines beeindruckenden Filmes über sein unternehmerisches Engagement. Wertheimer sieht in Arbeit und Wohlstand für alle den Schlüssel für den Frieden in Nahost: „Die Menschen brauchen Bildung und Arbeit, damit das Kämpfen aufhört“, so seine These.
Stef Wertheimer, deutscher Herkunft und israelischer Wirtschafts-Tykoon, empfing uns in seinem 1983 gegründeten Industriepark Tefen in Obergaliläa. Wir sahen zunächst die neueste Version eines beeindruckenden Filmes über sein unternehmerisches Engagement. Wertheimer sieht in Arbeit und Wohlstand für alle den Schlüssel für Frieden in Nahost: „Die Menschen brauchen Bildung und Arbeit, damit das Kämpfen aufhört“, so seine einfache These.

In Haifa traf die Gruppe den 87-jährigen Gad Ehrlich, auch er ein überzeugter Zionist deutscher Herkunft, der in der „Jüdischen Brigade“ mit den Briten gegen die Deutschen gekämpft hatte. Mit Imad Younis besuchten wir in Nazareth, der größten arabischen Stadt im Norden Israels, einen erfolgreichen arabischen Unternehmer, in dessen Firma Juden, Muslime und Christen wie selbstverständlich kooperieren. An der Ben Gurion-Universität in Beersheva, immerhin die drittgrößte im Land, empfing uns mit Prof. Dr. Mark Gelber, Leiter des ersten „Zentrums für deutsche Studien“. Er vermittelte auch Gespräche mit dem Leiter des dortigen „Centers für Bedouin Studies and Development“, einer Dozentin für Deutschunterricht russischer Herkunft sowie mit Roman Englert, Mitarbeiter der Telekom, der im Forschungsbereich eng mit der BGU zusammen arbeitet. Mark Lewis und seine Kollegin Dina erwarteten uns im Wüstenforschungszentrum in Sde Boker (Teil der BGU) und informierten die Gruppe über die Nutzung von Solarenergie sowie über ihre Forschungen im Bereich Wassergewinnung, -einsparung und wiederaufbereitung. Ein Besuch im Haus von Ben-Gurion und seiner Frau Paula stand ebenfalls auf dem Programm.

v. l.: Gil Yaron, Meggie Jahn, Ari Rath und Gad Lior
v. l.: Gil Yaron, Meggie Jahn, Ari Rath und Gad Lior

In Kooperation mit dem Goethe-Institut Jerusalem und dessen Leiterin, Simone Lenz, fand unter dem Motto „Drei Generationen israelischer Journalisten kommentieren 60 Jahre Israel“ eine Gesprächsrunde mit Ari Rath (langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Jerusalem Post“), Gad Lior (Leiter des Jerusalemer Büros von Yedioth Acharonot) und Gil Yaron (Auslandskorrespondent verschiedener deutscher Zeitungen wie „Rheinische Post“ und „Frankfurter Rundschau“) im Hotel Prima Royal statt. Auch wenn der Blick auf „60 Jahre Israel“ generationsbedingt unterschiedlich ist, sahen doch alle Podiumsteilnehmer die Stärke Israels vor allem in der erstaunlichen Fähigkeit und Bereitschaft seiner Bürgerinnen und Bürger zur Selbstkritik trotz anhaltender äußerer Bedrohung. Zudem profitiere das Land von der stets bewiesenen „Kunst zur Improvisation“, die oft und in vielfältiger Weise ungewöhnliche Leistungen des bis heute nur von zwei Staaten in seiner Nachbarschaft anerkannten kleinen Landes in Nahost, so Gil Yaron.

Im israelischen Aussenministerium wurden wir vom Stellv. Leiter des Referats Medien und Öffentlichkeitsarbeit, Aviv Shir O­n, früherer Pressereferent an der Bonner Botschaft, und Aviva Raz-Schechter empfangen, die seit rund drei Jahren für die Bekämpfung des Antisemitismus verantwortlich ist. Hier arbeitet sie auch eng mit dem OSZE-Beauftragten gegen Antisemitismus, Prof. Gert Weisskirchen, MdB, und anderen Mitgliedern des Deutschen Bundestages, darunter Petra Pau, Bundestagsvizepräsidentin und Mitglied der Partei „Die Linke“, zusammen. Am Nachmittag besuchten wir das „Absorption Center“ in Mevasseret Zion bei Jerusalem, wo äthiopische Juden auf das moderne Leben in Israel vorbereitet werden und die neuhebräische Sprache erlernen.

Beeindruckend war wie immer der Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem mit dem auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau initiierten „Tal der Gemeinden„, wo unsere Gruppe am Gedenkstein für Berlin ein Blumengebinde niederlegte und eine Gedenkminute einlegte. Im Rahmen eines „bunten Abends“ im Hans-Sternbach-Vineyard – mitten in den judäischen Bergen gelegen -, traf die Gruppe geladene alte Bekannte wieder. Ein Höhepunkt war sicher die Begegnung mit Gabriel Bach, ehemaliger Oberster Richter am Obersten Gerichtshof in Jerusalem (OGH) und 1961 zweiter Ankläger im Eichmann-Prozess. 2007 hatte er unsere Reisegruppe am OGH empfangen.

Meggie Jahn mit Prof. Sari Nusseibeh auf dem Campus der Al-Quds-Universität
Meggie Jahn mit Prof. Sari Nusseibeh auf dem Campus der Al-Quds-Universität

Durch die Vermittlung des Goethe-Instituts Ramallah besuchten wir am Ende mit der Al-Quds-Universität die einzige arabische Universität im Großraum Jerusalem, wo wir dessen prominenten Präsidenten Sari Nusseibeh, trafen, einigen von uns bekannt als früherer „Statthalter Arafats“ in Jerusalem, aber auch als Partner von Ami Ayalon, früherer Shin-Beit-Chef, Abgeordneter der Knesset (Labour) und Minister ohne Geschäftsbereich. Nusseibeh ist als eigenständiger und kritischer Denker sowie klarer Gegner von Gewalt bekannt. Sein Buch „Es war einmal ein Land- Ein Leben für Palästina“ war erst vor wenigen Wochen in Deutschland erschienen und versteht sich als Reaktion und Ergänzung zu dem wunderbaren Buch von Amos Oz „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis„. Darin wirft er einen außergewöhnlichen und weitgehend unbekannten Blick auf das Leben seiner Familie in Jerusalem.

Seine Universität plante gerade eine gemeinsame Konferenz mit der Hebrew University in Jerusalem über die Bekämpfung der Alzheimer Krankheit und ist damit die einzige Universität auf palästinensischer Seite, die überhaupt mit israelischen Universiäten kooperiert. Interessant sein Bericht, dass es mit Hilfe eines Urteils des Obersten Gerichtshofs durch gewaltlosen Widerstand an der Universität gelungen war, den Mauerverlauf quer durch den Universitätssportplatz zu verhindern.  Heute verläuft die israelische Sicherheitssperranlage wenige Meter vom Universitätsgelände entfernt. Die überraschende Einladung zum Besuch des von Kuweit gesponserten „Abu Jihad-Museum for the Prisoners Movement Affairs“ durch den Stellvertr. Direktor der Universität, Dr. Hassan Dweik, nach der Verabschiedung von Nusseibeh führte dazu, dass die Gefühle der Teilnehmer arg strapaziert wurden, zumal die unterschiedlichen Narrative zwischen Israelis und Palästinensern hier erbarmungslos aufeinanderstoßen.  Verwunderlich bleibt, warum Prof. Nusseibeh uns nichts über den auf seine Initiative an der Universität gegründeten „Israel-Studien-Gang“ berichtete, über den Clemens Wergin kurz nach unserer Rückkehr in der WELT berichtet hat.

Touristische Höhepunkte der Reise waren sicher die sich schnell wandelnden Landschaften von Mittelmeer, Olivenhainen, der Salzwüste des Toten Meeres und den steilen Felsen an der Küste und in der Wüste Negev, die zum Klettern einladen. Je weiter wir nach Süden fuhren, desto schneller wechselten die Farben von Gelb über Gold bis zu einem warmen Terrakotta mit faszinierenden Wüstenformationen.

Caesarea, Akko, die heiligen Stätten am See Genezareth sowie die in den letzten fünf Jahren vorgenommenen imposanten Ausgrabungen in BeitShean, von dem ich bisher nur das römisches Amphittheater kannte, sowie Mizpe Ramon mit dem Großen Krater Ha Machtesch Gadol sind Orte, die unvergesslich bleiben. Und in Jerusalem faszinierte natürlich auch diesmal wieder der fantastische Blick vom Ölberg auf den Tempelberg, der Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen heilig ist.

Bericht von Meggie Jahn


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