Das ökologische Dorf: Vision des Beduinen Salman

Hubert Schulte-Kellinghaus mit SalmanDIG Reisebericht: Mit einer Vision ganz eigener Art trägt sich ein Beduine namens Salman. Während unserer Reise durch die Negevwüste bot sich uns durch die eindrucksvolle Begegnung mit diesem Mann die Gelegenheit, die Grundzüge eines weiteren interessanten Pionierprojektes kennenzulernen.

Salman ist einer von ungefähr 29l. Die meisten Angehörigen seines Volkes leben in der Negevwüste. Von ihren Ursprüngen her sind die Beduinen ein Nomadenvolk, das jahrhundertelang seinen Herden folgte und dort seine Zelte aufschlug.

Sie sind Araber und Muslime und dürfen in den israelischen Streitkräften dienen, wenn sie wollen. Obwohl sie nicht der Wehrpflicht unterliegen, verfügt die israelische Armee über spezielle Einheiten aus Beduinen, insbesondere als Spurensucher. Aber auch ohne die gesetzliche Pflicht ist es bei vielen Beduinenstämmen zur Tradition geworden, in den Streitkräften zu dienen.

Versuche der israelischen Regierung, den Unsicherheitsfaktor des schweifenden Bevölkerungsanteils durch Ansiedlungsprogramme unter Kontrolle zu bekommen, gibt es seit langem. Dies geschieht einerseits durch Zwang, andererseits durch die Anlage von Brunnen und Wasserversorgungssystemen, wodurch die Notwendigkeit des Wanderns stark herabsetzt wird. Auch durch die Auferlegung des Schulzwangs soll dem Wandertrieb der Beduinen Einhalt geboten werden. Die Erfolge der Regierung sind allerdings bestenfalls als mittelprächtig zu bezeichnen, da Beduinen sehr stolze Menschen sind, einen großen Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit besitzen und eine große Abscheu gegen jede Form von Zwang zeigen.

Das Wort „Beduine“ ist vom arabischen „badija“ abgeleitet, was soviel wie „Wüste“ oder „Steppe“ bedeutet. Diese Bezeichnung weist darauf hin, dass die Beduinen Bewohner der Wüste sind. Sie selbst nennen sich nach ihrer Herkunft aus Arabien „arab“. Aber unabhängig von ihrer Herkunft – Arabien, Syrien, Jordanien, dem Sinai, Marokko, dem Sudan oder Israel – haben sie überall die gleiche Moral, die gleichen Lebensumstände und die gleiche Tradition.

Auch heute noch sind die Beduinen in einem Stammessystem organisiert. Mehrere voneinander unabhängige Sippen schließen sich zu Unterstämmen zusammen und diese wiederum zu Stämmen. Sie leben hauptsächlich von der Viehzucht. Sie züchten u.a. Dromedare, Schafe und Ziegen, für die sie in der Wüste und vor allem in den Randzonen der Wüsten Weideplätze suchen. Darüber hinaus ernähren sie sich von Brot, Milch, Käse, Gemüse, Datteln, Hülsenfrüchten und Oliven. Zum Essen benutzen sie nur ihre rechte Hand, da die linke – wie bei den meisten islamischen Völkern – als unrein gilt. Die Gastfreundschaft nimmt bei den Beduinen auch heute noch einen sehr hohen Stellenwert ein. Ein ungeschriebenes Gesetz lautet, immer großzügig zu sein und für die Bewirtung des Gastes ohne Zögern auch ein Tier zu schlachten.

DIG Reisebericht der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

Als Gast bei dem Beduinen Salman werden wir zunächst Zeuge des beduinischen Brotbackens. Traditionell ernähren sich die Beduinen sehr genügsam von Brotfladen, dem sogenannten „Aschenbrot“ (malil). Das ist ein dünnes fladenartiges Gebilde, das aus Datteln, Butter und Milch zubereitet und in Asche gebacken wird. Dazu gibt es Datteln, Ziegen- und Kamelmilch. Während das Brot in der heißen Asche seiner Vollendung entgegenreift, bittet Salman uns in sein Zelt. Nachdem wir auf bunten Decken Platz genommen haben, hockt sich der Gastgeber ebenfalls auf den Boden. Kurz darauf bekommen wir von seinen beiden heranwachsenden Söhnen Tee gereicht.

Und dann führt uns Salman allmählich in die ganz eigene Lebens- und Empfindungswelt der Beduinen ein – wie sie früher war und wie sie sich unter den Sachzwängen der Gegenwart allmählich zu wandeln beginnt. In fließendem Hebräisch beschreibt er uns seine eigene Jugend, die ziemlich hart und schon frühzeitig von großer Verantwortung geprägt war, und anschließend die Herausforderungen der Gegenwart und seine aktuelle Sorge um die beduinische Jugend, die in seinen Augen zunehmend verweichlicht und lieber vor einem Computer sitzen statt Verantwortung übernehmen will.

Salman schildert uns das besondere Verhältnis, das jeden Beduinen mit der Natur verbindet. Jahrhundertelang sei man beim Herumziehen wie „über den Boden geschwebt“. Man habe keinerlei zerstörerische Spuren in der Natur hinterlassen. Von seinem ganzen Wesen her lebe ein Beduine „mit der Natur und nicht gegen sie“. Die Mahlzeiten habe man – im Kreise sitzend – einer einzigen großen Schüssel entnommen. Übriggebliebenes Essen sei anschließend den Hunden vorgeworfen worden. Und wenn der Stamm zu neuen Weideplätzen aufgebrochen sei, habe es kurz danach so ausgesehen, als sei nie jemand dort gewesen.

„Heute, wo uns die Regierung zur Sesshaftigkeit zwingt, ist das anders. Unsere Frauen gehen in den nächsten Supermarkt, bringen Tragetaschen aus Plastik mit und zerstören damit die Umwelt.“

Auch wenn sich Salman inzwischen daran gewöhnt zu haben scheint, dass er und sein Stamm nicht mehr herumschweifen dürfen, preist er mit nostalgischer Wehmut die früheren Zeiten. Er erzählt uns, wie er bereits als Fünfjähriger von seinen Eltern gemäß beduinischer Tradition zur Übernahme von Verantwortung erzogen wurde. Vieles vom damaligen Wertekodex versucht er an seine eigenen Kinder weiterzugeben. „Die Bedingungen, unter denen wir leben, haben uns gelehrt, stark zu sein und nicht so leicht aufzugeben.“

Nach seinen ausführlichen Schilderungen und einem schmackhaften Mahl erhebt sich der Gastgeber und bittet uns höflich nach draußen. Keine dreißig Meter von seinem Zelt entfernt, führt er uns zu einer seiner Erfindungen. Wir folgen seinen Ausführungen aufmerksam und sind von seiner Erfindungsgabe fasziniert. Mit einfachsten Mitteln hat sich Salman die Verwesung organischer Substanzen auf dem Kompostplatz zunutze gemacht. Die im Kompost ablaufenden Umsetzungsprozesse führen nicht nur zur Entstehung neuer Erde, sondern erzeugen auch Gase. Diese Gase werden in einem selbst konstruierten Behältnis gesammelt und können für die Energieerzeugung genutzt werden.

Neben dieser einfachen, preiswerten und vor allem funktionierenden Form der Energieerzeugung offenbart uns Salman weitere seiner Ideen, für deren Umsetzung er allerdings nur etwas Risikokapital benötigt. In der Summe schwebt ihm eine große blühende Siedlung für seine ganze Sippe vor, ein ökologisches Dorf, das durch seinen Modellcharakter die Grundlage für weitere ökologische Dörfer bilden könnte, in denen schließlich jeder Beduine sesshaft würde, ohne die wesentlichen Grundzüge seine Lebensart aufgeben zu müssen. In einer auf Nachhaltigkeit basierenden ökologischen Siedlungsstruktur würde man einerseits den Negev begrünen, was ja auch im Interesse der Regierung ist, und andererseits verhindern, dass die Beduinen den Kontakt zu ihren Wurzeln verlieren.

Salman lässt keinen Zweifel an seiner Loyalität gegenüber dem Staat Israel aufkommen. Er ist zwar weder Jude noch Zionist, aber er ist ein sehr stolzer Israeli! Wenngleich er noch nicht  – wie z. B. Ayalim – Teil einer Bewegung ist, die in enger Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung die Lebensumstände der Beduinen im Negev substantiell verbessern will, ist er unseres Erachtens ein Mann von klarem Verstand, großer Authentizität, starkem Willen und großer visionärer Kraft.

Er ist ein Mann, dem zuzuhören sich lohnt und wenn auch Sie Salman unterstützen möchten, vermitteln wir gern einen Kontakt.

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