Richard Herzinger: Revolutionäre Umbrüche in der arabischen Welt – Was sind die Folgen für Israel?

Richard Herzinger
Richard Herzinger, Foto: Jörg Krauthöfer

Kooperationsveranstaltung mit der Jüdischen Volkshochschule Berlin

Die Umbrüche in der arabischen Welt bedeuten für Israels Sicherheit kurzfristig ein erhöhtes Risiko. Das ist insofern paradox, als die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten von einer Demokratisierung der so lange vom Despotismus paralysierten und deformierten arabischen Gesellschaften eigentlich enorm profitieren könnte – nicht zuletzt, weil nur in einer offenen Gesellschaft mit freier Diskussion der paranoide Antisemitismus hinterfragt und auf Dauer überwunden werden kann, der den arabischen Diktaturen stets als Herrschaftsideologie diente.

Einstweilen bleibt der Weg in die arabische Demokratie jedoch äußerst unsicher und gefährdet. In Ägypten wächst der Einfluss der Muslimbruderschaft, die sich mit dem herrschenden Militär – und damit den Überresten des alten Mubarak-Apparats – fürs erste Macht und Einfluss aufteilt. Das bedeutet, dass der jüdische Staat mit einem deutlich verschärften antiisraelischen – und iranfreundlichen – Kurs der neuen ägyptischen Regierung rechnen muss, der sich bereits jetzt in der wachsenden Unterstützung für die Hamas in Gaza und die Hisbollah in Libanon niederschlägt. Die Entwicklungen in Libyen und Syrien zeigen zudem, dass weitere revolutionäre Veränderungen im arabischen Raum kaum ohne heftige gewaltsame Konflikte abgehen werden.

Sollte sich allerdings in Libyen eine prowestliche Regierung durchsetzen – die womöglich sogar bereit wäre, Israel anzuerkennen –, und sollte mit dem syrischen Regime ein zentraler Brückenpfeiler des destruktiven iranischen Einflusses in der Region einstürzen, könnte dies die Position des jüdischen Staates auf einen Schlag erheblich stärken.

Skepsis bleibt jedoch aus israelischer Sicht angebracht – nicht zuletzt angesichts jüngster historischer Erfahrungen. So führte die mit großen Hoffnungen begonnene „Zedern-Revolution“ im Libanon am Ende zur faktischen Machtübernahme der Hisbollah. Und der zunehmend aggressive „antizionistische“ Kurs der Türkei zeigt, dass in islamisch geprägten Ländern selbst die Demokratie keine Garantie für eine aufgeschlossene Politik gegenüber Israel bietet. So bleibt die Lage im Nahen Osten bis auf weiteres gefahrvoll und schwer berechenbar. Sollte Israel ein einseitig ausgerufener Palästinenserstaat aufgezwungen und der Iran beim Bau einer Atombombe nicht gestoppt werden, droht gar ein verheerender regionaler Krieg.

In dieser Situation ist Deutschlands häufig bekundete „besondere Verantwortung“ für Israels Sicherheit mehr gefragt denn je. Der deutschen Politik sollte klar sein, dass Konzessionen an die Todfeinde Israels von diesen nur als Ermutigung für ihre Zerstörungspläne gegen den jüdischen Staat aufgefasst werden. Nicht faule Kompromisse und falsch verstandene Neutralität helfen dem Frieden im Nahen Osten, sondern nur eine unzweideutige Solidarität mit dem Staat Israel, wie sie unter westlichen Demokratien mit gemeinsamen Werten selbstverständlich sein sollte.

Ort: Jüdisches Gemeindehaus, Kleiner Saal
Fasanenstr. 79–80 | 10623 Berlin

Dr. Richard Herzinger, geb. 1955 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik an der Freien Universität Berlin und promovierte mit einer Arbeit über Heiner Müller. Der Publizist und Buchautor ist politischer Korrespondent der WELT-Gruppe und ein ausgewiesener Israel- und Nahost-Experte. Davor war er Redakteur und Autor der „Die Zeit“ und Deutschlandkorrespondent der Zürcher „Weltwoche“. Außerdem schrieb er u.a. Artikel für die „Neue Zürcher Zeitung“ und die FAZ. Seine Blog-Seite mit dem Titel „Richard Herzingers Freie Welt“ sei hier sehr zur Lektüre empfohlen.  Sie finden sie hier.

Wir freuen uns auf einen interessanten Abend.

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