Israel und Deutschland: Eine ganz besondere Partnerschaft für internationale Spitzenforschung

Veranstaltungsbericht zu „Israel und Deutschland: Eine ganz besondere Partnerschaft für internationale Spitzenforschung“
© Wilfried Winzer

Am 25. Juni war es endlich wieder so weit: Nach der durch Corona bedingten Zwangspause begrüßte die DIG Berlin und Brandenburg einen renommierten Wissenschaftler zur ersten Veranstaltung, die unter Wahrung der notwenigen Auflagen und mit begrenzter Personenzahl in den Räumen des Deutschen Bundestags stattfinden konnte.

Professor Dr. Otmar Dieter Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, der auf der letzten Mitgliederversammlung der DIG für die besonderen Verdienste um die Zusammenarbeit mit Israel mit der Ernst-Cramer-Medaille ausgezeichnet worden war, berichtete von den Herausforderungen und Chancen einer gemeinsamen Arbeit.

Die Helmholtz-Gemeinschaft

Die Helmholtz-Gemeinschaft ist eine der vier großen deutschen Forschungseinrichtungen, die überwiegend vom Bund und teilweise von den Ländern in einem Verhältnis 90:10 gefördert werden. Sie besteht aus 19 Forschungszentren in unterschiedlichen Bundesländern und hatte 2019 ein Budget von 4,81 Milliarden Euro. Davon stammten 66% aus der institutionellen Förderung, 29% aus Drittmitteln und 5% aus Sonderfinanzierungen. Im Juli 2019 waren etwas über 40.000 Mitarbeitern in den Zentren beschäftigt – davon 13 % Doktoranden. Die sechs Forschungsbereiche der Helmholtz-Gemeinschaft umfassen Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr, Materie und Schlüsseltechnologien (künftig Information).

Internationale Zusammenarbeit

Besonders wichtig ist der Gemeinschaft die internationale Zusammenarbeit. Dies spiegelt sich in der offensiv betriebenen Internationalisierungsstrategie. Diese betrifft sowohl internationale Kooperationen, in denen die Wissenschaftler der Gemeinschaft eng mit Institutionen aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland zusammenarbeiten, auch im Rahmen der gemeinsamen Nutzung der exzellenten Forschungsinfrastruktur der Zentren in Deutschland, als auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Zentren selbst: Etwa ein Drittel der Postdocs kommen aus dem Ausland, insgesamt arbeiten etwa 7.500 internationale Wissenschaftler an den Zentren. Fokusländer sind z.B. die USA, Israel, Frankreich, Großbritannien, Kanada, China und Russland.

Zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit unterhält die Helmholtz-Gemeinschaft auch vier Auslandsbüros: In Brüssel, Moskau, Peking und Tel Aviv.

Warum Israel?

Israel ist ein idealer Partner für die Helmholtz-Gemeinschaft: Es betreibt selbst Weltklasse-Forschung, bietet brillante und kreative Wissenschaftler – darunter Nobelpreisträger wie Ada Yonath, die auch in Berlin-Adlershof zu Gast war, und hat komplementäre Interessen in Schlüsselgebieten, die eine Verzahnung der Forschungsaktivitäten vielversprechend machen.

Israel ist eine Schmiede für kreative Köpfe. Talentmanagement und -förderung sind auch im Leitbild der Helmholtz-Gemeinschaft verankert. Wettbewerb und hohe Risikobereitschaft sind Teil der dortigen Innovationskultur, von der wir eine Menge lernen können, gerade auch im Hinblick auf die Förderung von Start-ups.

Berlin war einmal eine jüdische Stadt – auch deshalb ist eine Verbundenheit zwischen Israel und Deutschland wichtig und Israel ein idealer Partner in der Forschung. Darüber hinaus fördern die persönlichen Kontakte zwischen den Forschern und die gemeinsamen Interessen Freundschaften, die die Beziehung der beiden Länder festigen.

Forschungsprogramme und bilaterale Kooperationen mit Israel
© Wilfried Winzer

Seit 1964 besteht das Minerva-Programm der Max-Planck-Gesellschaft, das einen Austausch deutscher und israelischer Wissenschaften fördert. In diesem Rahmen erfolgt auch eine Projektunterstützung am Weizmann Instituts of Science. 1976 wurde das DKFZ – MOST – Programm gegründet, das sich der Krebsforschung mittels kompetitiver Vergabe von Tandemprojekten und Ausrichtung jährlicher Workshops widmet, die abwechselnd in Heidelberg und Israel stattfinden. Seit 2010 treffen sich im Rahmen dieses Projekts auch jeweils 25 Doktoranden und Juniorpostdocs in einem speziellen Weiterbildungprogramm zu verschiedenen Themen, darunter etwa medizinische Systembiologie, Stoffwechsel und Immuntherapie. Neben diesen Programmen gibt es eine Reihe bilateraler Forschungskooperationen einzelner Zentren, u.a. zu personalisierter Medizin.

Highlights sind die Helmholtz International Labs WHELMI – das Weizmann Helmholtz Labor für Laser Materie Interaktion, das unter Leitung von Professor Victor Malka vom Weizmann Institut und Professor Ulrich Schramm vom Helmholtz Zentrum Dresden Rossendorf kompakte Plasmabeschleuniger und ihre Anwendung in Medizin und Technik erforscht sowie  AeroHEALTH, ein Kooperationsprojekt zwischen dem Helmholtz Zentrum München, dem Forschungszentrum Jülich und dem Weizmann Institut. Das am 1.4.2019 in Rehovot am Weizmann Institut gestartete Projekt mit einer Laufzeit von fünf Jahren widmet sich dem Einfluss atmosphärischer Luftschadstoffe auf die menschliche Gesundheit – ein Thema, das zunehmend relevanter wird (https://www.aerohealth.eu/).

Ein weiteres bilaterales Projekt ist ULTRASAT. Hier ist DESY in Hamburg Partner der Mission, die vom Weizmann Institut und der israelischen Weltraumagentur geleitet wird. Weitere Partner dieses Projekts sind das DLR und ESA.

Eine multidisziplinäre Forschungsgruppe von über 30 Immunologen, Mikrobiologen und Stoffwechselexperten arbeitet unter Professor Dr. Eran Elinav an der Entschlüsselung der molekularen Grundlagen der Wirt-Mikrobiom-Interaktionen und ihrer Auswirkungen auf Gesundheit und Krankheit

© Wilfried Winzer
Forschung als Friedensprojekt

Ein besonderes Forschungsprogramm war der Aufbau der Synchrotronstrahlungsquelle SESAME, ein unter der Schirmherrschaft der UNESCO stehendes Friedensprojekt. Der ursprünglich in Berlin-Wilmersdorf beheimatete Speicherring BESSY I wurde dafür Ende 1990 abgebaut, in Kisten verpackt und nach Jordanien verschifft. Im November 2008 wurde das Gebäude eingeweiht und bereits am 14. Juli 2009 konnte in der Anlage erstmals ein Elektronenstrahl erzeugt werden. Der reguläre Betrieb wurde 2017 aufgenommen. Beteiligte Länder sind Israel, Jordanien, Türkei, die palästinensischen Autonomiegebiete, Zypern, Ägypten, Iran und Pakistan. Das Helmholtz-Zentrum betreibt in Jordanien das „Helmholtz-SESAME soft X-ray Strahlrohr, das von 2019-2022 mit 3,975 Millionen Euro gefördert wird.

Internationale Forschungsprojekte und Ausbildung

Seit 2017 richtet die Helmholtz Gemeinschaft eigene Forschungsschulen ein, an der jeweils bis zu 25 Doktoranden gemeinsam in interdisziplinären Projekten forschen und eine exzellente Ausbildung erhalten. Der internationale Charakter trägt zu den ausgezeichneten Karriereperspektiven der Promovenden bei. Dabei geht es neben der gemeinsamen Ausbildung der Doktoranden auch darum, langfristige strategische Partnerschaften zwischen den Forschungseinrichtungen aufzubauen.

In Israel sind vier solche Forschungsschulen eingerichtet worden, deren israelischer Partner jeweils das Weizmann Institute of Science ist. Das Deutsche Krebsforschungszentrum und die Universität Heidelberg arbeiten an der Fragestellung, welche biologischen Prozesse die Entstehung von Krebs beeinflussen (2018-2024). Mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin und der Freien Universität Berlin werden neue Tandemmaterialien für die Solarzellen der Zukunft erforscht (2018-2024). Mit den Partnern Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Charité, Humboldt Universität, der Hebräischen Universität Jerusalem sowie dem Technion wird die Fragestellung der Bildgebung mit unterschiedlichen Skalenniveaus bearbeitet, wobei ein Projekt dieses Jahr abgeschlossen wird und ein neues von 2020-2026 startet. Über das Universum und Strahlungen aus dem Weltraum forschen DESY, Humboldt Universität und Universität Potsdam von 2019-2025.

Helmholtz Israelbüro in Tel Aviv

Einen Höhepunkt und Neustart in den Beziehungen zwischen der Helmholtz Gemeinschaft und Israel stellt die Eröffnung des Büros in Tel Aviv im Oktober 2018 dar. Die Mission ist eine ständige Vertretung in der Start-up Nation Israel und die Unterstützung beim Aufbau von Kooperationen sowie Monitoring und Analyse relevanter Entwicklungen in Israel. Zielgruppen sind Universitäten und Forschungsinstitute, forschende Unternehmen und Start-Ups, relevante Ministerien und Förderinstitutionen. Das Büro hat drei Mitarbeiter für Forschung und Entwicklung, Innovation und Verwaltung. Die von 2020-2021 geplanten Aktivitäten starten mit einer Tech-Transfer Webinarreihe des Helmholtz-Arbeitskreis Technologie Transfer und entsprechenden Organisationen israelischer Forschungseinrichtungen. Start ist der 1.7.2020 mit dem Technion.

Durch die durch Corona bedingten Restriktionen im Reiseverkehr musste der für den 24.3.2020 geplante Helmholtz Innovation Summit auf April 2021 verschoben werden. Hier geht es um die Vernetzung herausragender Forscher aus Israel und Deutschland.

Aktuelle forschungspolitische Schwerpunkte in Israel liegen in der Förderung von Zukunftstechnologien wie Bio-Convergence, Künstlicher Intelligenz, Quantenwissenschaft und -technologie, Datenwissenschaften und individualisierter Medizin. Diese Themen decken sich mit den eingangs vorgestellten großen Themen, mit denen sich die Helmholtz-Gemeinschaft befasst.

Kreativer Partner

In der abschließenden Diskussion stellte Professor Otmar Wiestler noch einmal fest, dass die enge Verzahnung zwischen Deutschland und Israel für beide Seiten vorteilhaft sei. So bringe Israel besonders kreative Köpfe, die aus der existentiellen Bedrohungslage heraus zu ideenreichem Denken gezwungen seien, andererseits habe Deutschland die finanziellen Mittel, um die Entwicklungen weiter voran zu treiben. Dabei ginge es nicht nur um Hightech, sondern gelegentlich auch um ganz pragmatische und einfache Entwicklungen. Israel sei ein Land, das es schaffe, sich auf höchster Ebene im Wettbewerb durchzusetzen. Wer sich für das Thema weiter interessiert, dem empfahl er das 2019 erschienene Buch „Chuzpah“ von Inbal Arieli – damit sei eigentlich alles gesagt zum Thema und die Erklärung geliefert, weshalb Israel als Innovations- und Unternehmernation so erfolgreich sei.

Autorin: Dr. Nikoline Hansen

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