Bericht zum „Tacheles Talk Israel“ vom 1. März 2018

Der Journalist Alan Posener (links) beim „Tacheles Talk Israel“ mit Ministerpräsident Bodo Ramelow in der Thüringer Landesvertretung. Foto: DIG Berlin und Brandenburg

Beim Tacheles Talk Israel der DIG Berlin und Brandenburg in der Thüringer Landesvertretung  in Berlin traf Ministerpräsident Bodo Ramelow, der erste Ministerpräsident der Linken in Deutschland, auf den Journalisten Alan Posener. Vorbereitet wurde das Treffen vom Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg e.V., Michael Spaney, und Benjamin Krüger aus dem Büro des Ministerpräsidenten. Die rund 130 Teilnehmer sollten interessante Einblicke in das persönliche Verhältnis des Politikers zu Israel gewinnen.

Ramelow sprach in seiner Einführung bereits vieles an: Thüringens Verantwortung für die während der Nazizeit durchgeführten Deportationen von Juden, für die von der Firma Topf & Söhne geleistete logistische Unterstützung ihrer Vernichtung und dass das Gebäude des heutigen Landtags einst Gestapoquartier war. Während Thüringens Hauptstadt Erfurt für die Alte Synagoge, eine Mikwe und den jüdischen Kulturschatz nun Anerkennung als UNESCO Weltkulturerbe anstrebe, sei nicht allen Thüringern bewusst, dass es sich hier um Raubgut von jüdischen Bürgern aus dem Mittelalter handelt und Synagoge und Mikwe über Jahrzehnte vernachlässigt und vergessen waren.

Aus innerer Überzeugung und um ein Zeichen zu setzen, machte Ramelow seine erste offizielle Reise als Ministerpräsident 2015 nach Israel. Dem Auswärtigen Amt verweigerte er den parallelen Besuch der Westbank, ein ungewöhnlicher Vorgang, aber er setzte sich durch. Und er schloss in Israel Freundschaften: mit Avital Ben-Chorin, einer Ehrenbürgerin von Eisenach, die bis zu ihrem Tod vor kurzem für die Versöhnung von Juden und Christen eintrat, und mit Naftali Fürst, einem ehemaligen Deutschen, der ihm ohne Groll entgegentrat und ihn immer wieder tief beeindrucke.

Ramelow habe Verständnis dafür, dass für seine Freunde aus der jüdischen Gemeinschaft in Thüringen Israel nicht nur durch seine territoriale Existenz ein Stück Sicherheit biete, sondern auch emotional wichtig sei.

Der erfahrene Journalist Alan Posener als Gesprächsleiter dieses Tacheles Talk Israel merkte als erstes an, dass auf der Fahne Thüringens interessanterweise viele „Davidsterne“ seien – um dann dem Ministerpräsidenten freundlich, aber bestimmt genau die Fragen zu stellen, die die Gäste interessierten. Als erstes: Warum könne kein Beschluss in der Partei DIE LINKE gefasst werden gegen solche Unternehmungen wie die Beteiligung an der Gaza-Flottille, gegen Boykottaufrufe gegen Israel oder gegen Schmähungen Israels als „Apartheid-Staat“?

Ramelow antwortete, er hätte die Beteiligung an dieser Flottille abgelehnt und er sei gegen Boykott, was er in der Partei auch offen anspreche. Aber es gebe eben auch andere Meinungen, das sei in einer pluralistischen Gesellschaft so.

Allerdings habe er schon an der Siedlungspolitik Israels Kritik, z.B. am Niederreißen von EU-geförderten Projekten wie Schulen etc. Aber er fände es auch falsch, Israels Siedlungen – wie von extremen Israelkritikern häufig getan – in den Mittelpunkt zu stellen. „Wir müssen uns immer wieder ein eigenes Verhältnis zu Israel erarbeiten“, so Ramelow an seine Parteikollegen. Gaza habe auch einen Grenzübergang mit Ägypten, der benutzt werden könne, das müsse auch bedacht werden. Und die arabischen Länder haben die Palästinenser nie wirklich unterstützt. Beispielsweise im Libanon und anderen Orten hätten sie integriert und nicht in Lager gesteckt werden müssen.

Geschickt lenkte Posener Ramelow auf die Binnensicht der Thüringer zu Israel. Und dieser wich nicht aus. Es habe ein „Entjudungsinstitut der Evangelischen Kirche“ gegeben. Und in der DDR seien dort tätige, ehemalige geistliche Unterstützer des Naziregimes im Apparat geblieben. Heute weiß man: Viele wurden dann als IMs eingebunden.

Als weiteres Beispiel berichtete Ramelow von einem Kinderarzt aus Jena, Professor Ibrahim, der im Dritten Reich für die Euthanasie an Kindern zuständig gewesen war. Gegen ihn wurde nie Anklage erhoben. Stattdessen war er bis in die 90er Jahre hoch angesehen

Zum Thema Religionsfreiheit sprach Ramelow von Heuchelei, wenn manche das Schächten verbieten wollten, aber das generelle Schlachten von Tieren nicht problematisierten. Auch bei der Beschneidung gelte für ihn: Wenn das von Fachleuten gemacht würde, sollte dies als ähnlich wie die Behandlung einer Phimose anerkannt und nicht dämonisiert werden.

Auf die Frage aus dem Publikum, wie er die iranische Bedrohung Israels sehe, antwortete Ramelow: Iran mache jährlich eine Konferenz, auf der betont werde, dass man Israel vernichten wolle. Das müsse man ernst nehmen. In diesem Zusammenhang wünschte er sich eine Diskussion unter den Nato-Partnern über gemeinsame Werte. Israel sei nur der Zünder eines viel weiter zu fassenden Konflikts. Aber deutschen Kriegseinsatz in der Region lehne er generell ab. Deutschland solle sich sowohl mit Waffenlieferungen als auch mit Einsätzen vor Ort aufgrund seiner Geschichte raushalten.

V.l.n.r.: Alan Posener (Die Welt), Hellmut Königshaus (Präsident DIG e.V.), Bodo Ramelow (Ministerpräsident des Freistaats Thüringen), Maya Zehden (Stellv. Vorsitzende DIG Berlin und Brandenburg e.V.). Foto: Thüringer Staatskanzlei/BCK

Beim Ausklang mit Wein, Säften und Brezeln war das Feedback positiv bis auf Kritik an den Aussagen zu Siedlungen. Ansonsten hat Ministerpräsident Bodo Ramelow das Publikum mit seinen direkten Antworten beeindruckt, die seine betonte Nähe zu Israel glaubhaft machten. Alan Posner wurde für seine geschickten (Nach-)Fragen sehr gelobt.

Der Thüringer Landesvertretung und ihrem Bevollmächtigten Krückels war bereits bei der Begrüßung von der stellvertretenden Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg e.V., Maya Zehden, für die Gastfreundschaft und die gute Betreuung gedankt worden.

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