Lesenswerter Brief aus Israel zu dem Gaza-Vorfall

Liebe Freunde,

in der Nacht von Sonntag auf Montag hat ein Israelisches Marine-Kommando ein Schiff mit Friedensaktivisten und humanitären Hilfsgütern an Bord in internationalen Gewässern gestürmt und ohne Rücksicht auf Verluste bis zu 19 friedliche Zivilisten getötet und eine noch größere Zahl verletzt.

Diesen oder einen ähnlichen Eindruck gewinnt der europäische Medienkonsument seit gestern, wenn er die Süddeutsche, die Faz, le Figaro, The Daily Telegraph aufschlägt, auf Spiegel-Online und NZZ-Online surft und sich die Nachrichten auf ARD oder RTL anschaut. Und da es damit der Information für viele auch schon genug ist, bleibt, wie immer, nur folgendes in den Köpfen der meisten hängen: „Israel hat schon wieder Mist gemacht; Israel ist der Aggressor.“

Dabei werden auch und gerade von den hoch angesehen Zeitungen und Onlineangeboten Fakten unterschlagen, wichtige Hintergrundinformationen vorenthalten und Meldungen, die nicht dem „Israel=Aggressor“-Bild entsprechen, aus Artikeln, Kommentaren und Nachrichtensendungen ausselektiert. Und wenn sie doch gebracht werden, dann in einem verschachtelten Nebensatz im letzten Absatz des Artikels, um im nächsten Satz direkt wieder relativiert zu werden.

Diese den „Qualitätsmedien“ unwürdige, unglaublich tendenziöse Berichterstattung liegt mir wie ein Stein im Magen. Ich möchte im Folgenden wenigstens einige Fakten graderücken und den Vorfall in den korrekten Kontext stellen.


Der Hintergrund

Auszüge aus Artikel 13 der Hamas Charta: Ansätze zum Frieden, die sogenannten friedlichen Lösungen und die internationalen Konferenzen zur Lösung der Palästinafrage stehen sämtlichst im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung. […] Für die Palästina-Frage gibt es keine andere Lösung als den Djihad.

Der Gazastreifen, in den die Flotte gelangen wollte, ist seit 2007 durch eine Blockade von der Außenwelt abgeschnitten. Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass diese Blockade eben keine rein Israelische ist, sondern Ägypten daran genauso teilhat und das „Blockieren“ noch viel rigoroser durchführt als Israel. In den Medien dazu, selbstverständlich: kein Wort.

Auch wird nur noch selten erklärt, weshalb diese Blockade besteht. Im August 2005 hat sich Israel, inklusive aller jüdischen Einwohner und des Militärs, komplett aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Im Januar 2006 gewann Hamas, eine von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Islamisten-Partei, die Parlamentswahlen mit absoluter Mehrheit. Da jedoch eine internationale Isolation bei alleiniger Regierung drohte, sah sich Hamas gezwungen, mit der unterlegenen Fatah gemeinsam zu regieren, und so den Anschein einer Mäßigung zu erwecken. Im Juni 2007 schaffte es Hamas, die Fatah aus dem Gazastreifen gewaltsam zu vertreiben und kann seitdem alleine regieren bzw. „diktieren“.

Um diesem anti-liberalen, anti-westlichen, anti-demokratischen und antisemitischen Regime das Beschaffen von Waffen zu erschweren, unterbindet Israel die freie Einfuhr von Waren. Das verführt die Medien natürlich dazu, von einer „humanitären Katastrophe“ im Gazastreifen zu berichten. Fakt ist jedoch, dass Israel über mehrere Grenzübergänge täglich LKW passieren lässt, die die Bevölkerung mit Brennstoffen, Nahrungsmitteln, Zement und sogar Fußbällen versorgen. Ein ehemaliger Kommilitone ist seit einem halben Jahr an einem der Grenzübergänge stationiert und berichtet, dass

zwar jede Lieferung rigoros auf Waffen und Waffenfähiges Material kontrolliert, „zivile“ Ware jedoch immer durchgelassen wird. Dass die Versorgungslage nicht allzu schlecht sein kann, beweist der „Roots Club“, ein Luxusrestaurant in Gaza-Stadt, dessen Motto „Our passion is food“ ist: http://www.rootsclub.ps/index.php . Außerdem sind offensichtlich noch genug Ressourcen übrig, um die ca. 4000 Raketen produzieren zu können, die in den letzten Jahren auf Israel abgeschossen wurden. Menschen in tatsächlichen Katastrophengebieten wie Darfur würden sich über eine „Humanitäre Katastrophe“ à la Gaza freuen.

Die „Friedensaktivisten“

Die Mava Marmara, das Schiff, auf dem sich der Vorfall abspielte, wurde von der IHH finanziert und ausgestattet, außerdem waren einige Passagiere Mitglieder der Organisation. Die IHH ist eine türkische, radikal-islamische Wohlfahrtsorganisation, die neben sozialen Projekten die Hamas und auch globale Djihadgruppen unterstützt (http://www.terrorisminfo.org.il/malam_multimedia/English/eng_n/html/hamas_e105.htm) .

Ihr Vorsitzender, Bülent Yildirim, sagte vor zwei Jahren in einer Rede in London: „Israel verhält sich, wie Hitler sich gegenüber den Juden verhalten hat.“ (http://newsletter.cti-newmedia.de/index.php?site=artikeldrucken&nid=701&sid=NA==&id=5454 )

Der Charakter der „Friedensaktivisten“ und „humanitären Unterstützer“ lässt sich auch gut an folgenden Beispielen und Aussagen ablesen. Vor ca. zwei Wochen machte Noam Shalit, Vater des seit fast vier Jahren im Gazastreifen von der Hamas festgehaltenen Israelis Gilad Shalit, den Organisatoren der Solidaritätsflotte das Angebot, sich bei der israelischen Regierung für das Passieren der Flotte einzusetzen, wenn diese im Gegenzug seinem Sohn Gilad ein privates „Care-Paket“ im Gazastreifen überreichen würde. Gilad hat seit seiner Entführung keinen Kontakt zu seiner Familie, da die Hamas noch nicht einmal dem Roten Kreuz den Zugang zu ihm erlaubt. Die „Friedensaktivisten“ der Solidaritätsflotte hatten eine für „Kämpfer gegen die humanitäre Katastrophe“ eher unübliche, aber sehr schlichte Antwort auf Shalits Bitte: „Nein.“ (http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/gaza-aid-convoy-refuses-to-deliver-package-to-gilad-shalit-1.292541 )

Wenig später machte die Israelische Regierung den Organisatoren der Flotte folgendes Angebot. Die Schiffe könnten im Hafen von Ashdod, wenige Kilometer nördlich des Gazastreifens, gelöscht, die Ware auf Waffen kontrolliert werden und dann über den Landweg nach Gaza gelangen. Auch hier war die Antwort ein kategorisches „Nein“. Verdeutlicht wird die Intention dieser Verweigerung eines konstruktiven Kompromisses durch die Aussage von Greta Berlin, eine der Organisatorinnen: „Bei dieser Mission geht es nicht darum, humanitäre Güter zu liefern, es geht darum, Israels Blockade zu brechen“ (Greta Berlin, AFP, 27. Mai 2010).

Hamasführer Ismail Haniya hatte die eigentliche Intention der „Solidaritätsflotte“ schon vor Tagen gut zusammengefasst: „Kommt die Flotte durch, haben wir gewonnen – kommt es zu einem Zwischenfall mit den Zionisten, haben wir auch gewonnen.“ (http://www.jpost.com/Home/Article.aspx?id=176812)
Der Vorfall

In der Nacht von Sonntag auf Montag, zum ersten Mal gegen 23 Uhr, näherte sich die Flotte (sechs Schiffe) der Israelischen Küste nahe dem Gazastreifen. Aus den zuvor genannten Gründen hängt Israels Sicherheit davon ab, die Blockade des Gazastreifens aufrecht zu erhalten. Nach einer Aufforderung der Israelischen Marine, sich zu entfernen, drehten die Schiffe ab. In den frühen Morgenstunden änderte die Flotte Ihren Kurs wieder Richtung Israel bzw. Gazastreifen. Dies veranlasste die Marine, die Schiffe von Marinetruppen aufbringen zu lassen. Auf fünf der sechs Schiffe geschah dies gänzlich gewaltfrei, es sind auf keiner Seite auch nur leichteste Blessuren zu beklagen.

Auf dem sechsten Schiff, der Mavi Marmara, waren bis zu 19 Todesopfer und noch mehr Verletzte zu beklagen.

Den europäischen Medien nach zu urteilen, geschah dies auf folgende Art und Weise: Israelische Soldaten stürmen das Schiff, schießen wild um sich und ermorden dabei 19 friedliche Zivilisten. Dies entspricht jedoch in keiner Weise den Tatsachen.

Wie schon auf den anderen Schiffen, seilten sich Marinesoldaten nach einer Durchsage an den Kapitän der Mavi Marmara von einem Hubschrauber einzeln und eher behutsam auf das Deck des Schiffes ab. Sie waren dabei mit Paintball-Gewehren, also gasdruckgetriebenen Farbpatronenwaffen bewaffnet, die Sie jedoch nicht in den Händen zum Schießen bereit hielten, sondern die sie um die Schultern auf dem Rücken hängen hatten (http://www.youtube.com/watch?v=C9p5QT91QYs) .

Auf dem Schiff angekommen, wurde jeder einzelne der Soldaten von dem schon wartenden Mob mit Stöcken, Messern, Metallrohren und sogar Handfeuerwaffen angegriffen, einer der Soldaten wurde über die Reling ein „Stockwerk“ tiefer geworfen (http://www.youtube.com/watch?v=f-FYtekKu3g). Das Resultat: Sieben verletzte Soldaten, zwei davon durch Pistolenkugeln.

Um die Soldaten zu befreien, wurde das Schiff dann tatsächlich gestürmt, wobei echte Waffen und echte Munition eingesetzt wurden, und bis zu 19 Passagiere erschossen wurden. Auch hier schwanken die Angaben natürlich, denn bisher bestätigt wurden bisher „nur“ 15 Opfer, aber in den europäischen Medien wird natürlich die größtmögliche Opferzahl Israelischer „Aggression“ genannt.

Dass es bei diesem Vorfall zu Toten und Verletzten gekommen ist, ist schrecklich und bedauerlich. Dies haben auch mehrere Vertreter der israelischen Regierung und der Opposition geäußert. Dass für das Zustandekommen dieser Opfer aber wie immer Israel allein verantwortlich gemacht wird, dass Staaten wie Spanien oder Griechenland es sich erlauben, ohne genaue Kenntnis der Situation und ohne direkt involviert zu sein, Ihre Botschafter aus Israel abziehen, und dass Israel in einem Großteil der Medien dämonisiert wird, ist ein Skandal, der mir die Galle hochkommen lässt.

Ich hoffe, ich konnte euch, in meiner Wohnung im sonnigen Tel Aviv, nur wenige Kilometer vom Ort des Vorfalls entfernt sitzend, eine ausgewogenere Sichtweise präsentieren. Wenn Ihr ähnlich denkt und das auch anderen mitteilen wollt, aber nicht wie ich heute eine Vorlesung verschlafen habt und daher keine Zeit hattet, dies zum Ausdruck zu bringen, leitet meine Mail gerne weiter.

Bis bald in Deutschland,

Leonard

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