Israel und die EU – Eine schwierige Partnerschaft

In Kooperation mit und zu Gast bei der Schwarzkopf Stiftung Junges Europa diskutierten am 21. April 2016 Günter Verheugen, Vizepräsident der Europäischen Kommission a.D. und der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft Arbeitsgemeinschaft Berlin und Potsdam, Jochen Feilcke, MdB a.D. die Gründe, warum die Partnerschaft zwischen Israel und der EU so schwierig ist.

© Adrian Jankowski

Ausgangspunkt war, dass die Beziehungen zwischen Israel und der EU ökonomisch gut seien. Politisch verhindere der Israel-Palästina Konflikt jedoch engere Beziehungen, die über Schönwetterreden hinausgehen. Israel betrachte die EU als Palästina-freundlich, die EU gäbe aufgrund großer Unterschiede ihrer Mitgliedstaaten in der Bewertung des Konfliktes kein einheitliches Bild ab.

Günter Verheugen besuchte als 18jähriger Abiturient 1962 erstmals Israel und erlebte den Besuch, besonders Yad VaShem, als prägend für seine künftige Sicht auf dieses Land.
In seiner Analyse der aktuellen Situation verwies er auf seine Erfahrungen als Europakommissar. Als er vornehmlich die ost- und mitteleuropäischen Länder betreute, stand dort weniger das Schicksal der Juden und Israels und die eigene Verantwortung dafür während und nach der Shoah auf der Agenda. Vielmehr war man dort mit der Aufarbeitung der selbst erlebten Schrecken des Stalinismus beschäftigt. Offizielle Besuche in Auschwitz musste Verheugen anmahnen, sonst fanden sie nicht statt.

Den west- und nordeuropäischen Ländern wiederum gilt Israel zunehmend als die Ursache für internationalen Terror, was sich möglicherweise aktuell durch die Welle von Terroranschlägen in Europa etwas relativiert. Allerdings steht das Europäische Parlament Israel gereizt gegenüber, es gilt als Störenfried. Generell ist Israel allerdings kein Top-Thema.

Zu beobachten ist, dass ab den 60er Jahren die antizionistische Linke mit antisemitischen Untertönen gegen Israel agitierte. Die Deutsche Politik stellte sich so dazu, dass sie die Kritik an Israelischer Politik von der Frage des Existenzrechtes getrennt sehen wollte, das nicht verhandelbar ist. Allerdings waren besonders Franzosen und Belgier federführend darin, mit der Kritik an der Israelischen Regierung unterschwellig an antisemitische Ressentiments zu appellieren. Vordergründig soll das die Solidarität mit den Palästinensern betonen.

Die unnachgiebige Haltung der Israelis zu Verurteilungen durch die EU nervt die EU-Parlamentarier, die Israelis sind wiederum von der EU enttäuscht. Im Ergebnis stagnieren die Beziehungen und es herrscht Desinteresse aneinander.

1994 in der Ära Kohl, Außenminister war Klaus Kinkel, bot der Europäische Rat „besondere Beziehungen“ an. Ab 2000 wurde Israel daher Teil der Mittelmeerpartnerschaft und der europäischen Nachbarschaftspolitik.
Damit war Israel das erste Land aus dem Mittelmeer- und dem Post-Sowjetischen Raum mit diesem Status. Grundlage waren die vorhandenen gemeinsamen Werte von Rechtsstaat, Demokratie und wirtschaftlicher Entwicklung. Nach kurzem Zögern wurde ein Aktionsplan zu gemeinsamen Aktivitäten auf den Weg gebracht. Allerdings wird dieses Assoziierungsabkommen nicht ausreichend genutzt.

Verheugen nennt als hauptsächlichen Streitpunkt heute die Rolle Israels im Nahostfriedensprozess mit den Stichworten Siedlungen und besetzte Gebiete. So werden israelische Produkte von den Golanhöhen jenseits der grünen Linie, der Westbank und dem Gazastreifen ausgeschlossen aus dem Handel. Die aktuell beschlossene Pflicht zur Kennzeichnung solcher Produkte belastet das Klima zwischen der EU und Israel enorm.

Israel wirft der EU vor, einseitig für die Palästinenser Partei zu ergreifen. Sie würden sie als europäisches Protektorat betrachten und Gelder zur Verfügung stellen ohne zu prüfen, wofür sie verwendet werden. Dass dabei vieles schief läuft, gab Verheugen wiederholt zu.
Auch die Frage eines jungen Mannes aus dem Publikum ging in diese Richtung. Verheugen blieb hier bei der Formulierung, er sei durchaus dafür, dass für die Zahlung von Unterstützung auch gewisse Gegenleistungen gefordert werden könnten, und blieb damit leider relativ vage.

Inwiefern also europäisches Geld auch zur Verhinderung des Friedensprozesses dient, weil es beispielsweise für den Bau von Schmuggeltunneln im Gazastreifen oder für Waffenkäufe, Abfindungszahlungen an ‚Märtyrer’ Familien benutzt wird oder sogar – nun schon aufgedeckt – für die Erstellung von Israel feindlichen Schulbüchern, müsste dringend geklärt und diese Praxis als friedensfeindlich reklamiert werden.

Die Zukunftsvision von Verheugen lautet, dass er den Staat Israel als einzige Ausnahme aus der Region in die Europäische Union aufnehmen würde. Begründung ist die enge Verbundenheit durch die gemeinsamen Werte. Es wäre eine große Chance im Hinblick auf die Friedensperspektive.
Und er würde engere regionale Kooperationen wie z. B. mit Jordanien fördern zu Themen wie Wasser oder anderen lebenswichtigen Ressourcen. Teilweise sind solche Kooperationen bereits Realität, sollten aber ausgebaut werden.

Zur Frage danach, was Europa Israel bieten könnte, um wiederum Israel den Eintritt in die EU überhaupt schmackhaft zu machen, denn der Eintritt würde auch einen großen Verlust an Entscheidungsfreiheit bedeuten, wurde das Thema Sicherheit diskutiert.
Verheugen widersprach der Annahme, dass die Vielstimmigkeit Europas keine einheitliche Unterstützung garantieren würde, konnte aber keine überzeugende Strategie präsentieren, wie denn die EU Israels Sicherheit garantieren könnte. In der Terrorbekämpfung lerne Europa von Israel.

Er wies auf gemeinsame Forschungsprogramme der EU und Israels hin, die unter seiner Leitung ins Leben gerufen worden waren. Außerdem gibt es einen Wirtschaftsdialog, der allerdings noch ausbaufähig sei.
DIG Präsident Hellmut Königshaus wies in diesem Zusammenhang auf die positive Entwicklung von Drohnen und unbemannten Fahrzeugen in Israel hin, die der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen bereits gute Dienste geleistet hätten.

Der Europäische Markt ist der zweitgrößte Abnehmer für israelische Produkte nach den USA und größter Exporteur nach Israel mit einem Volumen von ca. 30 Mrd. Euro im Jahr, trotz vorhandener Handelsbeschränkungen.

Sicherlich habe die europäische Außenpolitik vielfältige Interessen in der Region, sprich: mit den arabischen Ländern. Oft hat sich Verheugen in seiner Rolle als Vertreter Deutschlands als einziger Partner Israels gegen 25 Gegner im Parlament der EU behaupten müssen.
An verqueren Entscheidungen wie der Kennzeichnungspflicht von israelischen Produkten aus den ‚besetzten Gebieten’ sei häufig die sehr bürokratische Handhabung von Gesetzen schuld. „Man hätte das besser hinkriegen können“, wiederholte er mehrmals. Auf Nachfrage pflichtete Verheugen bei, dass diese Kennzeichnungspflicht im Resultat versteckte Sanktionen seien.

Abschließend forderte Verheugen, dass Ministerratsentscheidungen auf realistischer Grundlage von Israels Geschichte und seiner permanenten Bedrohungslage getroffen werden müssten, denn nur so können auch Motive der israelischen Regierung verstanden werden.

Unter den rund 150 Teilnehmer(inne)n waren erstaunlich viele junge Leute unter 30. Das Publikum folgte der Diskussion interessiert bis zum Schluss. Anschließend tauschte man sich noch in kleinen Runden beim Empfang aus.
Dank an den Programmleiter Veranstaltungen der Schwarzkopf Stiftung, Thomas Weber, der die Diskussion und die Gäste aufmerksam und kompetent betreut hat.

Maya Zehden
stellv. Vorsitzende DIG Berlin und Potsdam, Vizepräsidentin DIG

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