Israel auf der Gewinnerstraße

Trotz der störenden türkischen Äußerungen ist das Handelsvolumen zwischen Israel und der Türkei seit dem Machtantritt der islamischen AKP im Jahr 2002 um 140% in die Höhe geschossen – $3,45 Milliarden für 2010 verglichen mit $1,4 Milliarden für 2002. Ungeachtet der politischen Spannungen weist das erste Quartal 2011 gegenüber dem ersten Quartal 2010 eine 40%-ige Zunahme im für beide Seiten vorteilhaften Handel zwischen Israel und der Türkei auf.

Meldungen wie diese lassen einen ins Grübeln kommen. Steht Israel tatsächlich mit dem Rücken zur Wand? Angesichts der Dauerberichterstattung über seine vermeintliche “internationale Isolation”, angesichts des Geraunes selbstgerechter Wächter der politischen Weltmoral über die “letzte Chance” des jüdischen Staates auf ein Überleben im friedlichen Nebeneinander mit seinen Nachbarn, die er gegenwärtig angeblich zu verspielen im Begriff sei, angesichts der “antizionistischen” Dauer-Hasspropaganda, die von allen Seiten – mal mehr aus Gaza und Ramallah, mal mehr aus Kairo oder Teheran, und neuerdings auch verstärkt aus Ankara (und meistens von überallher gleichzeitig mit derselben Intensität) – auf Israel einprasselt, ist man zuweilen geneigt, selbst an solche Untergangsszenarien zu glauben.

Doch was, wenn sich die Dinge jenseits rhetorischen Pulverdampfs und diplomatischer Tsunamis im Wasserglas ganz anders verhielten? Wenn Israel in Wirklichkeit zu den Hauptgewinnern der globalen Umbruchsepoche zählte, inmitten der wir uns befinden, und wenn das stetig anschwellende antizionistische und antisemitische Wutgeheul Ausdruck eines bohrenden Neidkomplexes von vollendeten und potenziellen Losern wäre, die für ihre greinende Selbststilisierung zum ewigen Opfer finsterer Machenschaften einen Schuldigen brauchen – und ihn idealiter wieder einmal bei den “unheimlichen” Juden finden, dieses Mal in Form jenes kleinen Siebeneinhalb-Millionenvolkes, das es ferigbringt, in einer zunehmend komplexen Welt dramatisch gestiegener Anforderungen an Unternehmer- Erneuerungs- und Erfindergeist in solch außerdentlich hohem Maß erfolgreich zu sein?

Was also, wenn Israel in Wirklichkeit eine der zukunftsfähigsten Nationen der Erde ist (wofür übrigens auch der beeindruckende Werdegang dieses überaus sympathischen Herren spricht), und wenn somit angesichts seiner spektakulären wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte, über die man hier ausführlicher lesen kann, die Zeit in Wahrheit für Israel arbeitet?

Dann müsste man sich allerdings schon wieder fragen, ob Israel nicht vielleicht gerade darum in höchster Gefahr schwebt. Denn ist etwas dran an der Vermutung, der “traditionelle” wie auch der “antizionistisch” drapierte Antisemitismus seien Symptome eines besonders tückischen Neids gegen die Erfolgreicheren, dann müsste folgeríchtig dessen Gefährlichkeit in dem Maße immer weiter ins Irrationale anwachsen, wie der Erfolg der Beneideten zunimmt. So hat es ja jüngst schon der Historiker Götz Aly in Bezug auf die breite Zustimmung beobachtet, die die NS-Judenverfolgung in der deutschen Gesellschaft gefunden hat:

Na, ich finde, dass man mal über Neid einfach reden kann. Das ist dieser offensichtliche Rückstand, das ist dieses Gefühl der Schwäche, mangelnder Schlagfertigkeit, mangelnder wirtschaftlicher Intelligenz, nicht genügender Geistesgegenwart, das die Mehrheit der deutschen Christen gegenüber diesen voranschreitenden, in die Moderne stürmenden Juden empfindet. Und dass dann Neid entsteht, ist nämlich ein verborgenes Gefühl, das man sich selber nicht eingesteht. Und dann flüchtet man ins Kollektiv, weil man nur so genügend Stärke für sich selber erwerben kann, macht den anderen, den Beneideten schlecht, und freut sich – da man sich den Neid selber nicht eingesteht -, wenn andere sozusagen dem Beneideten Nachteiliges zufügen.

Manches von diesen Bemerkungen lässt sich durchaus auf die Wahrnehmung des States Israel in weiten Teilen der Welt übertragen, ganz besonders natürlich in der arabischen bzw. mehr oder weniger stark der gesamten “islamischen” Welt, in der man Israel in gewissem Sinne sogar den Holocaust neidet. Hat man sich dort doch in die psychotische Vorstellung hineingesteigert, “die Juden” hätten den Holocaust nur erfunden oder zumindest aufgebauscht, um Aufmerksamkeit und Geldmittel vom Rest der Menschheit zu erpressen, und auch der ökonomische Erfolg Israels sei letztlich auf diese Ausbeutung des schlechten Gewissens der Welt zurückzuführen. Nicht zuletzt darum ist man in der arabischen bzw. islamischen Welt so versessen darauf, sich bei jeder Gelegenheit selbst zum Opfer eines Holocaust zu stilisieren, offenbar in der insgeheimen Erwartung, die Anerkennung dieses Opferstatus werde sich am Ende als ähnlich einträglich erweisen, wie das bei den Juden, respektive bei Israel der Fall war.

Blogseite von Richard Herzinger vom 7. Oktober 2011.

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