Grußwort von Jochen Feilcke bei der Ausstellungseröffnung "Wir waren Nachbarn" am 23.01.2011 im Rathaus Schöneberg

Sehr verehrter Herr Bezirksbürgermeister, liebe Frau Kaiser,
verehrte Damen und Herren,

eine Schönebergerin sagte mir gestern, sie habe in ihrem Kiez gehört: „Mir gehen die vielen Gedenktage auf die Nerven“. Das hat sie nicht nur erschüttert, weil sie selbst Gedenktage als Jahrestage zur Erinnerung an etwas oder jemanden sieht, nicht zwangsläufig als Trauertage oder gar als Tage der Schuldzuweisungen; es hat sie auch erschüttert, weil es sich bei denen, die das sagten, um „Gutmenschen“ handelt, mit oft übertriebenem moralisierendem Gestus, die den Unterschied zwischen „gut gemeint“ und „gut gemacht“ nicht kennen. Wer so spricht, versteht nicht oder will nicht verstehen, daß der Mensch erst tot ist, wenn er vergessen wird oder mit Immanuel Kant: „Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern; tot ist nur, wer vergessen wird.“

Solche Gutmenschen machen mich zum Wutmenschen. Solche Gutmenschen gehen am 27. Januar womöglich lieber ins Kino um sich den Agitationsfilm „Tal der Wölfe“ anzuschauen. „Tal der Wölfe – Palästina“ nimmt die Erstürmung der sog. Gaza-Hilfsflotte im Mai 2010 durch die israelische Armee zum Ausgangspunkt seiner Handlung. Damals waren neun türkische Aktivisten ums Leben gekommen. Die teils mit Islamisten, teils deutschen und anderen ausländischen Eiferern besetzte sog. „Hilfsflottile“ hatte versucht, die israelische Seeblockade des Gaza-Streifens zu durchbrechen. Ihr ging es überhaupt nicht um Hilfe,  sondern um Demonstration und Provokation. Im Film beschließt die Hauptfigur, die israelischen Verantwortlichen des Einsatzes zur Strecke zu bringen. Sein Gegenspieler ist ein grausamer israelischer Offizier, der auch vor Mord an palästinensischen Kindern nicht zurückschreckt. Jedes noch so widerliche, widerwärtige antisemitische Klischee wird in diesem Streifen bedient. Offizieller Kinostart in Deutschland ist der 27. Januar – der nationale Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus.

Für die Produktionsfirma ist der 27. Januar der „nächstmögliche“ Termin für den Kinostart. In der Türkei startet er erst einen Tag später. „Einen solchen Film ausgerechnet an diesem wichtigen Gedenktag in Deutschland zu starten, ist an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten“, kritisiert Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag. Dies sei besonders rücksichtslos gegenüber den Gefühlen der Opfer.

„Der Film ist ohnehin problematisch, weil er gewaltverherrlichend ist und antiisraelische sowie antisemitische Emotionen schürt“,  sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese. “Ihn am 27. Januar starten zu lassen, ist geschichtslos und unverantwortlich.“ „Wenn dieser Film eine eindeutige antiisraelische Tendenz hat, wovon man ausgehen muss, ist es eine Instinktlosigkeit ersten Ranges“, sagt auch Jerzy Montag, Grünen-Abgeordneter und Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag.

Da ich Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Berlin und Potsdam bin, sei mir gestattet, an dieser Stelle kurz zu schildern, was wir wollen:

Die Deutsch-Israelische Gesellsschaft ist die zentrale Organisation in Deutschland, in der sich Freunde Israels in überparteilicher Zusammenarbeit zusammenfinden, um in Solidarität mit dem Staat Israel und seiner Bevölkerung zu wirken. Wir treffen uns regelmäßig zu Informations- und Diskussionsrunden, helfen bei der Aufforstung Israels nach den Zerstörungen durch Katjuscha-Raketen aus dem Libanon oder nach dem verheerenden Waldrand im Carmel-Gebirge vor wenigen Woche und wir streiten für eine faire Berichterstattung über Israel in Deutschland, z.B. dann, wenn Israel destabilisiert, dämonisiert oder delegitimiert werden soll…

Seit einem Jahr ist die wunderbare Initiative des BA Tempelhof-Schöneberg – „Wir waren Nachbarn“ nach gemeinsamen Bemühungen dauerhaft im Rathaus Schöneberg: Von der Intervallausstellung zur Dauerausstellung. Das ist gut! Wegen der notwendigen Reparaturarbeiten ist die Ausstellung vorübergehend umgezogen. Ich hoffe sehr, daß sie bald in die Ausstellungshalle zurückkehren kann!

Vielen Dank!

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