„Es geht nicht um die Tatsache, dass Kritik geübt wird, sondern wie“

Das JFDA beging mit der Veranstaltung im Lichthof der TU Berlin zugleich sein fünfjähriges Jubiläum.
Das JFDA beging mit der Veranstaltung im Lichthof der TU Berlin zugleich sein fünfjähriges Jubiläum.

Wo liegen die Grenze dessen, was an Israel und Juden bemängelt werden kann? Das „Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“ veranstaltete am 10. Juni 2013 Vortrag und Podiumsdiskussion zum Thema „Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“. Eine Antwort auf die Eingangsfrage formulierte schon Tal Gat, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der israelischen Botschaft in Berlin, in seinem Grußwort. Wir veröffentlichen es hier mit freundlicher Genehmigung.

Sehr geehrter Professor Steinbach, sehr geehrte Frau Professor Schwarz-Friesel, liebe Lala Süsskind, lieber Levi Salomon, sehr geehrte Bundestagsabgeordnete, verehrte Gäste,

ich freue mich, dass ich heute zu Ihnen im Namen des Botschafters sprechen darf, der leider wegen bereits bestehender Verpflichtungen verhindert ist und Ihre Einladung daher nicht annehmen konnte.

Als erstes möchte ich jenen Personen danken, die diese Veranstaltung ermöglichen, nämlich dem „Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“, das seit fünf Jahren unter den Anstrengungen von Lala Süsskind und Levi Salomon eine sehr wichtige Arbeit leistet.

Auch danke ich Professor Steinbach, durch den ermöglicht wurde, dass dieser wichtige Dialog heute in den Räumen der TU stattfinden kann. Und natürlich danke ich Frau Professor Schwarz-Friesel, deren jahrelange Sammlung und Analyse der Zuschriften an den Zentralrat der Juden in Deutschland und die israelische Botschaft zeigt, wie das alte Phänomen der Judenfeindschaft als heutiger Antisemitismus und Antiisraelismus im 21. Jahrhundert zu Tage tritt. Ich freue mich auch sehr, hier Mitglieder des Bundestages begrüßen zu können. Sie bringen sich in die heutige Diskussion ein, weil Sie sich um die Entwicklungen innerhalb des öffentlichen Diskurses sorgen, sobald es um Israel geht.

Gern leistet die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit an der Botschaft ihren Beitrag dazu und stellt die täglich eintreffenden antisemitischen und antiisraelischen E-Mails, Faxe und Briefe für diesen Zweck zur Verfügung.

Es ist immer die israelische Regierung, die im Kreuzfeuer der Kritik steht.

Seit ich vor zwei Jahren mein Amt in Berlin angetreten habe, begegnet mir in Gesprächen immer wieder die eigentlich eher rhetorische Frage, „warum man Israel nicht kritisieren dürfe“. Während jene, die diese Frage stellen, damit zum Ausdruck bringen möchten, dass Deutsche sich in ihrer Kritik gegenüber Israel nolens volens zurückhalten würden, schlägt mir dennoch von jeder Gruppe und jedem Gesprächspartner in Deutschland ungehemmte Kritik an Israel entgegen – natürlich nicht ohne im selben Atemzug Israels Existenzrecht anzuerkennen, als ob dies angezweifelt werden würde.

Verehrte Anwesende, Kritik ist in Ordnung, Kritik ist willkommen und die härteste Kritik kommt aus Israel selbst und findet auf Hebräisch statt. Aber warum sind wir dann so empfindlich bei Kritik an Israel? Es sind nie die Juden, es sind meist die Israelis – mal die Siedler, mal die Orthodoxen, mal das Militär – und es ist immer die israelische Regierung, die im Kreuzfeuer der Kritik steht.

Es geht aber nicht um die Tatsache, dass Kritik geübt wird, sondern wie. Frau Professor Schwarz-Friesel kann auf wissenschaftliche Weise eine klare Linie ziehen, wann Kritik an Israel in Israelfeindschaft kippt, was linguistisch belegbar die moderne Form der Judenfeindschaft ist. Die Ergebnisse dieser Analyse sollten eine dringende Warnung sein. Aussagen wie „Deutschland duckt sich vor Israel“ oder „Israel zieht die Welt in einen Krieg“, wie immer wieder zu hören sind, sind keine legitime Israelkritik mehr. Tauschen Sie einfach das Wort „Israel“ gegen das Wort „Juden“, und Sie sehen, wann es nicht mehr legitim ist.

Tauschen Sie „Israel“ gegen „Juden“, und Sie sehen, wann Kritik nicht mehr legitim ist.

Während es in den bilateralen Beziehungen akzeptable und konstruktive Kritik gibt, wird leider auch oftmals die Kritik an Israel zur eigenen Positionierung und für innergesellschaftliche oder innenpolitische Dispute instrumentalisiert. Gleichzeitig werden die Bedrohungen auf verschiedenen Ebenen, denen sich Israel zunehmend gegenübersieht, von Terror über die BDS-Kampagne bis zum „Lawfare“, vernachlässigt. An Israel werden nicht nur Doppelstandards angelegt, sondern einzig auf Israel maßgeschneiderte Standards, die für keinen anderen Staat der Welt gelten.

Verehrte Gäste, Deutschland und Israel teilen eine gemeinsame Vergangenheit. Unsere Identitäten sind mit einem gordischen Knoten verbunden. Als moderne Nationen teilen wir die gleichen Werte und Interessen. Gleichzeitig gibt es die Tendenz in der deutschen Gesellschaft, unsere einzigartigen bilateralen Beziehungen in Frage zu stellen, angetrieben von Instanzen der literarischen, medialen oder auch politischen Arena, die auf fahrlässige oder fragwürdig motivierte Art obsessive Kritik an Israel üben.

Ich hoffe, dass sich unsere wertvollen und vertrauensvollen Beziehungen, die unsere Regierungen und unsere Völker in den letzten fast 50 Jahren aufgebaut haben, weiterhin positiv entwickeln – trotz verschiedener Symptome wie den Forschungsgegenständen von Professor Schwarz-Friesel, wie den Grass- und Augstein-Ergüssen, wie den sich häufenden physischen und verbalen Angriffen auf Juden und Israelis in der Öffentlichkeit und den Boykott- und Sabotage-Aktionen auf kulturellem und akademischem Gebiet.

Ich bin mir sicher, dass Initiativen wie die Veranstaltung heute Abend für unseren Dialog von großer Bedeutung sind und einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, zu sensibilisieren und unsere bilateralen Beziehungen zu stärken.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich wünsche uns allen eine anregende Diskussion.

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