Stephan Grigat: Spielverderber Israel

Die Sorgen Israels angesichts der Entwicklungen in den arabischen Ländern können nicht durch gutes Zureden oder Schönfärberei ausgeräumt werden.

Erfreulicherweise hat in den vergangenen Jahren eine Minderheit unter den Kommentatoren in Deutschland und eine nicht unbedeutende Fraktion der deutschsprachigen Linken zumindest versucht, Entwicklungen im Nahen Osten aus der Perspektive Israels zu sehen. Innerhalb der Linken war dieses Bemühen aber offensichtlich einer Mode geschuldet, nicht einer Einsicht in den Charakter der israelischen Staatlichkeit oder einer Reflexion über die Existenzbedingungen des jüdischen Staates. Seit einigen Wochen ist es vorbei mit dem Verständnis für Israel. Die Bilder, auf denen Mubarak am Tahrir-Platz als »Judenknecht« porträtiert wurde, werden ignoriert oder zur Nebensächlichkeit erklärt. Seit den Umstürzen in Tunesien und Ägypten hört man, es könne doch nicht immer nur um die Juden gehen und Entwicklungen im Nahen Osten dürften doch nicht einzig und allein nach den Sicherheitsinteressen Israels bewertet werden.

In Fernsehdiskussionen und Internet-Foren mokiert man sich über den »Spielverderber« Israel: Die Israelis würden den Arabern keine Demokratie gönnen und den Muslimen keinen Rechtsstaat zutrauen – wobei niemanden interessiert, dass sie selbst in einer parlamentarischen Demokratie mit rund 1,5 Millionen Araber leben. Man fordert Israel auf, die Gelegenheit zu nutzen und endlich »Checkpoints und Belagerung« zu beenden, ohne überhaupt noch zu erwähnen, warum diese Checkpoints in der Westbank existieren. Für solch eine Formulierung gibt es im deutschen Fernsehen tosenden Applaus. Vor allem, wenn man sie, wie es Hamed Abdel-Samad in der ZDF-Sendung »Was nun, Nahost« tat, Shimon Stein, dem ehemaligen israelischen Botschafter in Deutschland, vor den Latz knallt. Der Begeisterung, die ihm aus dem deutschen Publikum entgegenschlägt, das ihn als authentische Stimme der sich gegen eine Marionette des Westens ­erhebenden Volksmassen feiert, misstraut Abdel-Samad offenbar kein bisschen.

Ganzer Beitrag von Stephan Grigat bei JUNGLE WORLD vom 03.03.2011.

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