Bericht: Ungleichheit in der Wahrnehmung zwischen Europa und Israel

”Ungleichheit in der Wahrnehmung zwischen Europa und Israel”
Vorstellung der Studie der Bertelsmann-Stiftung durch Dr. Joachim Rother am 29. April 2021

Von Dr. Nikoline Hansen

Israel und Europa verbindet eine enge Beziehung, unter anderem durch wissenschaftliche Zusammenarbeit beispielsweise im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020. Auch der Handel floriert. Ein Grund für die Bertelsmann-Stiftung, sich das Verhältnis der beiden Länder zueinander näher anzusehen war, dass dennoch der Antisemitismus in Europa täglich zunimmt.

Die Studie können Sie hier einsehen.

Der Autor der Studie, Joachim Rother, erläuterte in der Zoomkonferenz der DIG Berlin und Brandenburg die Details:

Von November 2019 bis Januar 2020, also noch vor Beginn der COVID 19 Pandemie, hat die Bertelsmann Stiftung insgesamt über 11.000 Bürgerinnen und Bürger in Israel und acht europäischen Staaten (Belgien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Polen, Großbritannien, Italien, Niederlande) zu ihren Einstellungen zueinander befragt. Das Ergebnis war leider wenig überraschend: Während in Israel eine Mehrheit (61 Prozent) Europa gegenüber positiv eingestellt war, vertrat in Europa nur etwa jeder fünfte, also rund 20 Prozent, eine positive Haltung gegenüber Israel.
Auch das wechselseitige Interesse war sehr ungleich verteilt: während die Hälfte der Israelis sich für Informationen über Europa interessierte, waren es umgekeht nur ein Viertel der befragten Europäer, das sich für Israel interessierte. Das mag mit den Größenverhältnissen und der gegenseitigen Bedeutung der untersuchten Regionen zu tun haben, allerdings sind auch die Quellen, die zur Information in den jeweiligen Ländern heran gezogen wurden, signifikant unterschiedlich: In Israel überwiegt die Information durch Quellen im Internet, in Europa überwiegen die traditionellen Medien.

Auffällig ist, dass von allen europäischen Ländern die Meinung über Israel in Italien durchweg am positivsten war. Dr. Rother wollte hieraus keine Schlussfolgerungen ableiten, da die Ursachen für dieses Ergebnis nicht untersucht wurden und eine Antwort auf die Frage, weshalb das Ergebnis hier positiver ausfällt, rein spekulativ und nicht wissenschaftlich fundiert sei. Allerdings verwundert dieses Ergebnis wohl weniger, wenn man sich das historische Verhältnis Italiens zu seinen jüdischen Einwohnern betrachtet: Eine Massenverfolgung und Vernichtung wie in Deutschland staatlicherseits gab es nicht, dafür gab es deutsche Juden, die vor der Verfolgung in Deutschland nach Italien flohen. Der Antisemitismus hatte, ganz im Gegensatz zu Deutschland und Polen, die in der Studie durchgehend im europäischen Schnitt schlechter in ihren Ergebnissen abschnitten, in Italien keine breite Basis in der Bevölkerung. Hier scheint sich also eine Kontinuität abzuzeichnen, deren genauere Untersuchung sicherlich interessante Ergebnisse liefern könnte. In Deutschland und Polen war das Interesse an Israel im Verhältnis zu den befragten europäischen Staaten dementsprechend auch überdurchschnittlich gering. Während in Europa Bildung ein signifikanter Faktor war korrelierte die Meinung über Europa in Israel stark mit dem Alter: so hatten die jüngeren Israelis ein deutlich positiveres Bild von Europa als die älteren.

Interessant auch die Antwort auf die Frage zu persönlichen Kontakten mit Juden. Während in Deutschland nur 11 Prozent der Befragten angab, regelmäßig mit Juden Kontakt zu haben, waren es in Italien 29 Prozent – obwohl die Zahl der in Italien lebenden Juden mit 27.500 deutlich geringer ist als die in Deutschland mit über 100.00. Das legt die Vermutung nahe, dass Juden in Italien offensiver in der Öffentlichkeit als Juden auftreten und als solche wahrgenommen werden.

Eine der aus der Studie resultierenden Schlussfolgerungen ist die Bedeutung von Kontakt und persönlicher Interaktion für eine positive gegenseitige Wahrnehmung. Ein Besuch in Auschwitz wirkt eben anders als ein gemeinsamer Besuch einer Bar in Tel Aviv beim Bier.

Die Bertelsmann-Stiftung wird das Thema weiter auf ihrer Agenda behalten. Als nächster Schwerpunkt ist eine Studie über das Deutsch-Israelische Verhältnis geplant, das sich besonders mit dem Thema der Verantwortung befassen wird. Wir dürfen gespannt sein.

 

Den Zusammenschnitt der Veranstaltung finden Sie hier:

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