Schüler aus Oranienburg beim March of the Living 2019

Der „March of the Living“ ist ein jährlicher Gedenkmarsch vom Konzentrationslager Auschwitz zum Vernichtungslager Birkenau. Er fand am Yom Ha’Shoa – in diesem Jahr am 02.05.2019 – in Auschwitz statt. Seit zwei Jahrzehnten haben weit mehr als 200.000 Menschen am nachhaltigsten Protest junger Juden aus aller Welt gegen die Leugnung des Holocaust teilgenommen, im Jahre 2005 erstmals auch nichtjüdische Delegationen aus Deutschland und Österreich. Vorbereitet und durchgeführt werden die Veranstaltungen von „March of the Living International“, einer Organisation, die neben dem Besuch authentischer Gedenkorte und der Begegnung mit Überlebenden und Zeitzeugen auch die Mitarbeit von Historikern und Gedenkstättenpädagogen in die konzeptionelle Gestaltung einbezieht.

1.000 Jugendliche aus Österreich und aus Deutschland bei der Gesprächsrunde mit Viktor Klein, © privat

Wie in jedem Jahr, nahmen auch dieses Mal etwa 15.000 Menschen aus aller Welt daran teil. In der Vergangenheit hat Jochen Feilcke kleine Delegationen von Politikern zusammengestellt, damit Deutschland zumindest repräsentativ dabei ist. Als er erfuhr, daß in Österreich – organisiert von MoRaH (March of Remembrance and Hope) aus diesem Anlaß Delegationen von mehreren hundert Schülern zwischen 16 und 18 Jahren gebildet werden, wurde er aktiv. Als Deutschlanddirektor von RBF (Remembrance Forum) schloß er sich mit MoRaH zusammen und stellte erstmals eine Delegation von deutschen nichtjüdischen Schülern zusammen. Um ein derartiges Projekt auf die Beine stellen zu können, brauchte er die Unterstützung von Schulleitern und Lehrern. Welcher Ort eignet sich dafür besser als Oranienburg? Ein kurzes Gespräch mit dem Bürgermeister der Brandenburgischen Stadt an der Havel Alexander Laesicke reichte, um diesen für das „Pilotprojekt“ zu begeistern. Dieser lud die Schulleiter seiner Stadt ins Rathaus ein und alle waren sich schnell einig: Wir wollen und werden das schaffen! Während Jochen Feilcke zunächst das ehrgeizige Ziel verfolgte, 100 Schüler aus Oranienburg für die Delegation zu gewinnen, wurde er von dem Elan und dem Engagement der dortigen Lehrer und Schulleiter überrascht und überholt: Es lagen nach kurzer Zeit 269 Meldungen vor – leider mußte die Zahl aus Kapazitätsgründen auf 200 begrenzt werden… Die Finanzierung wurde übrigens unkonventionell gesichert: Die Schülerinnen und Schüler leisteten einen Eigenbeitrag, die Stiftung „Tolerantes Brandenburg“ beteiligte sich maßgeblich und für den Rest sorgte die Harold-Bob-Stiftung.

Bürgermeister Alexander Laesicke und Jochen Feilcke, © privat

Am Mittwoch, dem 01. Mai 2019 ging es um 07.00 Uhr früh mit 4 Bussen los. Die Fahrt dauerte mit kleinen Pausen achteinhalb Stunden: kaum im Hotel in Kattowitz angekommen ging es bereits weiter zur Gedenkstätte Auschwitz I zu einer geführten Tour durch das
Stammlager. Obwohl die Schüler gut vorbereitet waren – schließlich leben sie in der Nachbarschaft des KZ Sachsenhausen – waren sie doch von den Dimensionen des Geländes und von dem Ausmaß der Grausamkeiten überrascht und sichtlich bewegt. Sie wären wohl gerne länger geblieben und hätten sich gerne noch intensiver mit der Geschichte des Lagers und den Exponaten beschäftigt. Wegen der fortgeschrittenen Zeit konnte ihnen nur ein schneller Einblick vermittelt werden. Der Donnerstag, Yom Ha’Shoa begann mit einer eindrucksvollen Gruppenarbeit zum Themenbereich „Was ist ein Jude, eine Jüdin, das Judentum“. Alle 200 Schülerinnen und Schüler beteiligten sich engagiert an einem von Itamar Gross moderierten Workshop. Alle waren gespannt auf den eigentlichen „Marsch“. Viele Tausende in einer unendlich groß scheinenden Zahl von Bussen angereist, versammelten sich vor dem Stammlager Auschwitz I, um am Gedenkmarsch nach Auschwitz II teilzunehmen. Ausgestattet mit blauen Jacken von MOTL (March of the Living) bewegte sich ein riesiger Zug der Hoffnung nach Birkenau, zum größten Massengrab der Welt, zur Abschlußzeremonie in Birkenau. 15.000 überwiegend junge Menschen standen schweigend, bewegt, ergriffen und doch war dieser Tag nicht als „Todesmarsch“ sondern als Marsch der Lebenden gestaltet. „Ohne Optimismus hätte ich nie überlebt“, sagte dann auch der Zeitzeuge Viktor Klein in einer anschließenden Gesprächsrunde  an der „Sauna“, wie der schreckliche Ort, an dem auch die Familie von Viktor Klein vergast wurde, verharmlosend, euphemistisch bezeichnet wurde. Die Botschaft des Tages war einerseits „Say No to Antisemitism“ und andererseits, vielleicht noch wichtiger „Auf das Leben!“ Im nächsten Jahr will Jochen Feilcke die Zahl der deutschen Teilnehmer vervielfachen, natürlich ist Oranienburg wieder maßgeblich beteiligt!

Viktor Klein und Moderatorin Iris Singer von MoRaH, © privat

 

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