Breites Bündnis gegen den Al Quds-Tag – Kundgebung am 12.09.2009

DIG, Jüdische Gemeinde und weitere Initiativen protestieren gegen Al Quds-Demonstration
DIG, Jüdische Gemeinde und weitere Initiativen protestieren gegen Al Quds-Demonstration

Unter dem Motto „Zusammen gegen den Al Quds-Tag“ rufen seit 2003 unter Federführung der Amadeu Antonio Stiftung verschiedene gesellschaftliche Gruppen, iranische Oppositionelle und Politiker zu einer Kundgebung auf gegen den sogenannten „Al Quds-Tag“ (arabisch für Jerusalem, persisch „Ghods“) auf, darunter auch die DIG Berlin und Potsdam sowie die Jüdische Gemeinde zu Berlin. Das Bündnis reagierte damals erstmals auf die seit 1996 alljährlich am letzten Wochenende des Ramadan stattfindenden Demonstrationen am Kurfürstendamm in Berlin. Sie werden über das größte islamistische Internetportal der Brüder Yavuz und Gürhan Özoguz organisiert, die die Aufrufe zur Demo und alle nötigen Informationen in der ganzen Republik verbreiten. Drahtzieher sind verschiedene islamistische Zentren und Netzwerke, unter anderem aus dem Umfeld der libanesischen Hisbollah.

Rede von Maya Zehden auf der Anti-Al Quds-Demonstration am 12.09.2009

Begründer dieses internationalen Kampftages gegen Israel und die „westlichen Mächte der Arroganz“ war der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini. 1979 beschwor er zum ersten Mal in Teheran die panislamische Einheit, nachdem er im irakischen Exil in Nadschaf unter den Einfluss sunnitischer Islamisten und des panarabischen Antizionismus geraten war. Seitdem werden die Massenaufmärsche weltweit unter anderem in Teheran, Beirut, Pakistan, Bangladesh und Indonesien organisiert, dabei Parolen wie „Tod für Israel“, „Tod für Amerika“ und „Möge Israel von der Landkarte radiert werden“ skandiert, israelische und amerikanische Fahnen verbrannt.

Bis 2002 wurden die Al Quds-Demonstrationen in europäischen Großstädten wie Berlin, London, Paris und Wien von der Mehrheitsgesellschaft kaum registriert. Auf den Internetseiten einiger interkultureller Organisationen in Großbritannien, den USA und Australien – z.B. auf der Seite www.interfaithcalender.org – wurde der Al Quds-Tag sogar als muslimischer Feiertag geführt.

Dass sich dies in Berlin geändert hat und die Islamisten inzwischen bemüht sind, provozierende Aktionen zu vermeiden, ist den Kundgebungen g e g e n den Al Quds-Tag zu verdanken, deren Aufrufe bisher von bis zu 250 Unterzeichnern aus Gesellschaft, Politik, Kultur und Kirchen unterstützt werden. Als Reaktion auf die antisemitischen Terroranschläge auf Synagogen in Istanbul wurde 2003 in Kreuzberg zunächst die „Migrantische Initiative gegen Antisemitismus“ gegründet, die sich auch als Reaktion auf den zunehmenden Antisemitismus im unmittelbaren Lebensumfeld verstand. Die seit 2005 als Verein arbeitende „Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus“ (KIgA) rief damals gemeinsam mit der Amadeu-Antonio-Stiftung erstmals zu einer Gegenkundgebung auf. Während noch 2002 u.a. von den Brüdern Özoguz noch knapp 2 500 Teilnehmer mobilisiert werden konnten, sind die Zahlen in den letzten Jahren rapide zurück gegangen. Im Zuge unserer Gegenaktivitäten, zu denen sich zwischen 150 und 300 Teilnehmer einfanden, ging auch der Imam des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) zumindest nach außen auf Distanz zur Al Quds-Demonstration und rief nicht mehr zur Teilnahme auf.

Bemerkenswert und gefährlich ist aber, dass die Islamisten vor dem Hintergrund der allgemeinen Stimmung im Volk nach Allianzen mit linken antiimperialistischen Gruppen und mit Rechtsextremisten suchen, mit denen man sich über das Feindbild des „internationalen Finanzkapitals“, über Antiamerikanismus, Antizionismus, Antisemitismus oder auch in der Holocaust-Leugnung einig weiß. Perfide ist zugleich der Versuch der Islamisten, sich zum Anwalt derer zu machen, die vermeintlich für die Rechte der unterdrückten Palästinenser eintreten, damit unterschwellig aber oft nach Entlastung von Schuld aus der Nazi-Zeit suchen.

Klar muss sein: Den Islamisten geht es nicht um die Suche nach Kompromissen zwischen Israelis und Palästinensern, vielmehr wollen sie eine Lösung des Konflikts verhindern. Abstrus daher auch die Teilnahme von einigen Rabbinern der sogenannten „Thora-Wächter“ (Neturei Kharta) an den Al Quds-Demonstrationen 2006 bzw. 2009. Sie liefern den Islamisten ein ideales Alibi für ihre Vernichtungsphantasien gegenüber dem „Zionisten-Staat“. Diese jüdischen Extremisten vertrauen auf die angebliche Unterscheidung zwischen Juden und Zionisten und wollen nur dem Messias das Recht zugestehen, ein neues „Israel“ zu erschaffen, nicht aber säkularen Nationalisten.

Dass die Hisbollah-Anhänger ihre Demonstrationen in den letzten Jahren als „Schweigemarsch“ bzw. „Friedensmarsch“ tarnten, darf nicht über ihre wahren Absichten täuschen. Zwischen scheinbar friedlichen Parolen wie „Jerusalem – Stadt für Christen, Juden und Muslime“ oder „Stadt des Friedens“, „Militärische Überlegenheit rechtfertigt keine Gewalt“ heißt es auch propagandistisch: „Lasst Gaza leben, lasst Gaza frei“ und auf Plakaten finden sich Konterfeis von Ayatollah Khomeini, seinem Nachfolger Chamenei, vereinzelt sogar Bilder des Führers der Terrororganisation Hisbollah im Libanon, Hassan Nasrallah. Um die vom Verfassungsschutz kritisch diskutierte Hisbollah-Fahne zu vermeiden, tragen die Al-Quds-Demonstranten jetzt die libanesische Nationalfahne. 2008 fielen Parolen wie „Kein Maulkorb für Zionismus-Forscher“ – also Redefreiheit für Holocaust-Leugner wie David Irving und Horst Mahler – auf, zugleich wurde vor einer „Wiederholung des Holocaust gegen Palästinenser“ (!) gewarnt und Israel als die „größte Gefahr für den Weltfrieden“ bezeichnet. Umfragen der letzten Jahre belegen allerdings, dass dies auch mehr 60 Prozent der Deutschen und Europäer denken.

Umso wichtiger ist es, dass das Bündnis gegen den Al Quds-Tag künftig noch breiter wird, und dass die Aufruftexte einen allgemeinen Konsens ermöglichen. Auch ist zu wünschen, dass sich mehr Muslime und muslimische Organisationen dem Bündnis anschließen und damit deutlich machen, dass sie sich durch die islamistische Propaganda nicht vertreten fühlen, zumal die meisten Opfer von deren menschenverachtender Ideologie Muslime sind. Unabhängig von einer Bewertung der israelischen Politik sollten alle Unterzeichner unterstreichen, dass Israel für sie eine politische Realität im Nahen Osten darstellt, die nicht zur Disposition steht.

Um künftig mehr Zuspruch bei Migranten zu gewinnen, ist viel Sensibilität erforderlich. Claudia Dantschke, deutsche Journalistin und Expertin zu den Themen Islam, Islamismus, Antisemitismus, Migration und Integration, hat auf die kontraproduktiven Effekte eines pauschalisierenden Islamismus-Diskurses hingewiesen. So könnten undifferenzierte Urteile gegen ‚alle’ Muslime schnell zu einer rassistischen Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen führen, was islamistische Phänomene und Strukturen eher fördere statt sie zu marginalisieren. Zum gleichen Ergebnis aber führe es, so Dantschke, wenn der Islamismus als real existierendes Phänomen mit seinem Einfluss auf Teile der Gesellschaft ignoriert werde. Eine solche Haltung – nicht selten gepaart mit einer unkritischen Hofierung islamistischer Vereine und Organisationen als „Vertreter der Muslime“ – gehe in erster Linie zu Lasten der gemäßigten Muslime, denn damit würden sie dem Einfluss gerade dieser Gruppierungen unterworfen.

Wir werden solange Gesicht zeigen, bis jeder Berliner erfährt, dass es Ziel der Al Quds-Marschierer ist, einen Frieden in Nahost zu verhindern und bis unsere Teilnehmerzahl die der Al Quds Demonstranten übertrifft, so dass diese ihre Bemühungen in Berlin künftig einstellen müssen.

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Mehr zum Hintergrund des Al Quds-Tages und zu den Aktivitäten des Gegenbündnisses:

Rede von Maya Zehden 2009:

„Liebe Israelfreunde,

die gerade stattfindende Demonstration von islamistischen Aktivisten, die aus dem Iran gesteuert werden, ist aus zwei Gründen problematisch:

Ein Grund dafür ist, dass diese in einer westlichen Demokratie die demokratischen Strukturen nutzen, um antidemokratische Positionen zu beziehen. Dass die aufrufenden Gruppen hier demonstrieren dürfen, ist zwar ein positiver Beweis dafür, wie liberal unser politisches System ist. Aber alle Bürger, Politiker und Kräfte der Polizei und des Staatsschutzes sollten sehr genau hinschauen, was hier vor sich geht. Verhüllte Frauen und Kinder, fanatische Männer der Islamisten paaren sich heute hier mit rechts- (und links)extremen Deutschen in dem gemeinsamen Wunsch, Juden anzugreifen.

Wer glaubt, hier gehe es nur um den israelischen Staat, muss sich durch diese Koalition eines besseren belehren lassen.

Den Handlagern der Hisbollah hier in Berlin geht es sicher hauptsächlich darum, die Anwesenheit eines jüdischen Staates im Nahen Osten zu delegitimieren. Aber als Nicht-Demokraten haben sie kein Problem damit, sich mit Rechtsradikalen wie der DVU im gemeinsamen Hass gegen Juden, Israel und die jüdische Regierung zu verbünden.

Und folgendes wurde von Ayatollah Khomeini erstmals am 17. August 1979 auf dem damals erstmals ausgerufenen Al Quds-Tag formuliert: Der Al Quds Tag ist ein Tag der Mobilisierung der Muslime.

Das ist, neben der Eroberung Jerusalems für die Muslime, der zweite Grund für diese Demonstration. Hier in Deutschland, in der westlichen Welt, die meint, diese Gefahr nur marginal einstufen zu müssen, sollte man sich darüber im Klaren sein, welche Unruhe durch die sich selbst als unterdrückt und unterprivilegiert einstufenden Gruppen entstehen kann, die von muslimischen Geistlichen aufgehetzt werden!

Das hat sich in den Anti-Israel-Demonstrationen bereits im Januar dieses Jahres gezeigt, aber auch in Frankreich in den Aufständen der Banlieus. Oder beim Karikaturenstreit in Dänemark.

Also was sagt dieser Al Quds Tag nun konkret seinen Unterstützern? Khomeinis Formulierung 1979 zur ersten Demonstration mit 3,3 Millionen Teilnehmern lautete, dass dieser Tag die Basis zur Gründung einer Partei aller Unterdrückten der Welt sein solle.

Dass sich eine solche Masse Menschen als Partei der Unterdrückten definieren kann, erfordert eine außerordentlich raffinierte Argumentation, die allerdings bis in die links- und rechtsextremen Bereiche der europäischen Gesellschaft aus unterschiedlichen Gründen durchaus Sympathisanten hat.

Jeder, der meint, er unterstütze Unterdrückte und Opfer, wenn er sich mit dieser Forderung zur Gründung einer Partei aller Unterdrückten solidarisiert, sollte sich darüber im Klaren sein, dass der Iran sowie einige arabische Staaten mit einem Opferstatus kokettieren, der ihre jahrelange Unfähigkeit kaschieren soll, sich der modernen Welt anzupassen. Damit haben sie erfolgreich verhindert, ihren Völkern einen höheren Lebensstandard zu ermöglichen – und zwar ausschließlich aus ideologischen Gründen und zum eigenen Machterhalt. Einige dieser Staaten sind zwar unendlich wohlhabend, was aber nur einer kleinen herrschenden Elite zugute kommt.

Aus den Ländern, in denen keine Trennung zwischen Islam und Staatsführung zu erkennen ist, sind die Kombination aus mangelnder Bildung, fehlendem Fortschritt und rückständiger Lebensführung auffällig. Die Verantwortung dafür allein der einstigen Kolonialisierung dieser Länder zuzuweisen, greift zu kurz.

Sicherlich gab es unerhörte Übergriffe und Ausbeutung durch die Kolonialstaaten bis ins 19. Jahrhundert. Nur sind seitdem fast einhundert Jahre vergangen. Und die meisten muslimischen Herrscher heute haben ein ureigenes Interesse daran, ihren Völkern weiszumachen, dass nicht sie, sondern immer noch diese lange zurückliegenden Zustände Ursache der heutigen Misere sind.

Vielmehr erklären sie die islamische Lebensform dem angeblich dekadenten und verdorbenen Westen gegenüber als moralisch überlegen. Nur dass sich einige dieser muslimischen Eliten gerade durch ebensolche Dekadenz auszeichnen. Wer heute noch das Denken vom westlichen Unterdrücker gegenüber dem muslimischen Opfer unterstützt, redet Regimen nach dem Mund, unter denen er selbst keine fünf Minuten leben möchte.

Undemokratische Gruppen aller Couleur folgen diesen muslimischen Geistlichen außerdem gern bei ihrem schon damals formulierten Hauptziel: „Der Eroberung von Al Quds – arabisch für Jerusalem – für die Araber!“

In den Jahren 1999 und 2000 forderte Ayatollah Sayad Ali Chamenei bei seinen Reden auf den Teheraner Al-Quds-Kundgebungen darüber hinaus die „Vernichtung des zionistischen Staates“. Und hier in Deutschland schließen sich dieser Forderung nicht nur Extremisten, sondern auch Menschen an, die sich Friedensaktivisten nennen und dem Staat Israel sein Recht auf Selbstverteidigung absprechen.

Meine Damen und Herren, mein Plädoyer lautet, dass eine solche Demonstration von Antidemokraten beweist, wie weit es bereits hier vor Ort mit der Bildung von Parallelwelten ist. Ihre Protagonisten verfolgen Ziele wie die Zerstörung aller Werte, die nicht ihre sind und dabei nutzen sie infam die Gutgläubigkeit, aber auch das Desinteresse der Menschen hier für ihre Zwecke aus.

Jeder von uns sollte sein Umfeld für diese Problematik sensibilisieren und damit verhindern, dass sich diese Gruppen weiter ausbreiten. Und Demonstrationen wie die heutige Al Quds- Demonstration hier in Berlin und anderswo sollten mit allen demokratischen Mitteln – und effektiver als bisher – bekämpft werden.

Vielen Dank.“

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