Ein unvergesslicher Abend mit dem früheren amerikanischen Botschafter John C. Kornblum am 16. März 2009

Bericht von Annegret Mielke und Meggie Jahn, Fotos von Meggie Jahn

Am 16. März 2009 hatten Deutsch-Israelische Parlamentariergruppe (DIP) und DIG Berlin und Potsdam zu einem Abend mit dem ehemaligen US-Botschafter John C. Kornblum eingeladen. Nach seinem Ausscheiden als Diplomat inzwischen Neu-Berliner geworden, sprach Kornblum zum Thema Was kann Israel von Barack Obamas Nahost-Politik erwarten?

"Ich spreche hier nicht als Diplomat, sondern als Privatier."
Ich spreche hier nicht als Diplomat, sondern als Privatier.

Lange vor Beginn strömten die Besucher in die Commerzbank am Pariser Platz und nicht alle fanden einen Sitzplatz in dem schönen großen Saal im ersten Stock.

Der Vorsitzende der DIP, Jerzy Montag, demonstrierte den rund 200 Gästen in seiner Einführung ein Foto, das vor wenigen Tagen in der Süddeutschen Zeitung erschienen war. Es zeigt den israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres und die neue amerikanische Außenministerin, Hillary Clinton, in herzlicher Umarmung. Sollen wir das als hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft des amerikanisch-israelischen Verhältnisses auch unter Obama deuten?, so Montag bei seinem Einstieg ins Thema.

John C. Kornblum zwischen Jochen Feilcke und Jerzy Montag
John C. Kornblum zwischen Jochen Feilcke und Jerzy Montag

Als Zeichen der Hoffnung und Genugtuung deutete Kornblum in der Tat, dass die Obama-Administration als eine ihrer ersten Amtshandlungen den ehemaligen und hochangesehenen früheren Vermittler in Irland, John Mitchell, zum Sonderbotschafter für den Nahen Osten ernannt habe. Dass dabei nicht nur der israelisch-palästinensische Konflikt, sondern auch die gesamte Region wieder in den Fokus rücke, zeigten auch die Ernennung von Dennis Ross zum Sonderbotschafter für den Irak und Richard Holbrooke für Afghanistan. Hillary Clinton werde damit nicht – wie Kritiker vermuteten – in den Hintergrund gedrängt, sondern erhalte vielmehr wichtige Unterstützung. Im Gegensatz zu Obama habe sein Vorgänger George W. Bush jun. vier Jahre nichts für eine Lösung des Konflikts getan und auch die letzten Jahre kaum gehandelt, um eine Lösung herbeizuführen. Gleich zu Beginn seiner Ausführungen stellte Kornblum übrigens klar, dass er „nicht als Diplomat, sondern als Privatier“ zu uns spreche.

"Ich vertraue auf Obama, denn er hat nicht nur Parolen vor der Wahl ausgegeben, sondern er handelt."
"Ich vertraue auf Obama, denn er hat nicht nur Parolen vor der Wahl ausgegeben, sondern er handelt."

Die neue Administration, so Kornblum, vertrete wie ihre Vorgängerregierung ganz klar eine Zweistaatenlösung für die Region. Bereits frühere US-Regierungen hätten die israelische Siedlungspolitik als Friedenshindernis kritisiert, wie es auch für die EU gelte.

Die neue rechte Regierungskonstellation in Israel mit Netanjahu und Lieberman an der Spitze könnte es den USA und der Weltgemeinschaft schwerer machen, ihren Zielen für Nahost näher zu kommen, doch noch halte Netanjahu „einen Platz frei für Tzipi Livni“ Die Noch-Außenministerin aber wolle sich nicht unglaubwürdig machen. Nach Installation der neuen Regierung in Israel warte man in Israel mit Spannung auf den ersten Besuch von Barack Obama.

Der Krisenherd Nahost und das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern stelle seit mehr als 60 Jahren „eine der größten Gefahren für den Weltfrieden“ dar. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches Anfang des 20. Jahrhunderts sei die Region nach dem Motto „Divide et impera“ von den damaligen Großmächten Großbritannien und Frankreich neu aufgeteilt worden, wobei die Engländer vom Völkerbund das Mandat über das von den Römern sog. Gebiet „Palästina erhalten hätten. Dieses sei als Grenzgebiet immer umkämpft gewesen und noch vor der Gründung Israels sei Jordanien als eigener Staat entstanden. Israel habe bis heute keine anerkannten Grenzen, sondern lebe noch immer mit Waffenstillstandslinien, da die meisten arabischen Nachbarn einen Frieden mit dem Land ablehnten.

Die Unterstützung der USA, so Kornblum, sei für Israel militärisch und ökonomisch lebensnotwendig. So hätten sie nicht nur im Sinai-Krieg 1956, sondern auch im Yom-Kippur-Krieg 1973 das kleine Land gerettet, nachdem die Europäer und hier insbesondere die Bundesrepublik Deutschland den USA die Überflugrechte verweigert hatten und die US-Militärs ihre eigenen Stützpunkte nicht erreichen konnten.

Die Bildung von Koalitionen sei in Israel immer problematisch, aber auch unvermeidbar gewesen. Schon Golda Meir, die in Stanford/USA studiert hatte, habe mit unklaren Mehrheiten und sich gegenseitig bekämpfenden Parteien regieren müssen. Jede israelische Regierung müsse auf Grund der Wahlergebnisse Konzessionen machen, insbesondere an die religiösen Parteien, aber auch an rechte Parteien, was man nicht überbewerten dürfe. Da Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten darstelle, gebe es auch immer wieder neue Konstellationen.

Auch auf der palästinensischen Seite sei zur Zeit völlig unklar, wer in Zukunft die Politik gestalten werde, im Moment bemühe man sich um eine Einheitsregierung, denn ohne sie und werde es keine Unterstützung der sog. Geberländer für den Wiederaufbau in Gaza geben. Kornblum kritisierte, dass die Palästinenser seit 1967 stets in einem Schwebezustand gehalten wurden. Statt die Flüchtlinge zu integrieren, seien sie von den arabischen Staaten, insbesondere von Ägypten, Jordanien und dem Libanon, nicht eingebürgert worden. Heute stellten die Flüchtlinge, ihre Enkel und Urenkel, eine eigene, wenn auch nicht einige Lobby dar.

Europas Rolle in der Nahost-Region habe eine sehr lange und schwierige Geschichte. Die EU habe es bis heute versäumt, eine gemeinsame Strategie für diese Region zu entwickeln. Zwar habe sie finanzielle Unterstützung geleistet, politisch aber zurückhaltend bis konträr agiert. In den letzten Jahren aber, auch durch den Einsatz von Nicolas Sarkozy, werde die EU in Israel ernster genommen. „Etwas bewegen kann sie allerdings nur, wenn die USA mitziehen“, so Kornblum. Hier müsse man einen gemeinsamen Kraftakt wagen, „mit dem ich eine Lösung des Konflikts bereits in zwei bis drei Jahren für möglich halte“. Während sich die USA auf Saudiarabien konzentrieren sollten, seien die Golfstaaten ein „perfekter Partner“ für die EU. Dort wünsche man sich Stabilität und einen modernen Lebensstil. Die EU könne aber gegenüber den USA immer nur eine sekundäre Rolle bei der Lösung des Nahost-Konflikts spielen.

Mehr als 200 Gäste waren in die Commerzbank gekommen.
Mehr als 200 Gäste waren in die Commerzbank gekommen.

Diskussion:

Von Jerzy Montag in der anschließenden Diskussion darauf angesprochen, was Obama gemeint habe, als er eine „aggressive Politik im Nahen Osten“ ankündigte und ob dies heiße, dass er Druck auf Israel ausüben werde, stellte Kornblum klar, dass Obama nicht anderes gemeint habe als eine „ehrgeizige Nahostpolitik“. Hier habe sicher auch die Übersetzung zu Missverständnissen geführt. Die US-Politik im Nahen Osten sei nie aggressiv gewesen und so wolle es auch Obama halten. Konzessionen im Konflikt erwarte der neue Präsident von beiden Seiten. Wichtig sei aber etwas anderes: In den zwei Monaten, die Obama im Amt sei, habe er bewiesen, dass er „seine Parolen ernst meine und „einen Zeitenbruch“ wolle, auch in der internationalen Wirtschaftspolitik. Wie der frühere Präsident Franklin Delano Roosevelt fühle auch er sich als „Transformationspräsident“ mit einer Vision für die Zukunft.

Jerzy Montag: "Was versteht Obama unter einer 'aggressiven Politik im Nahen Osten?"
Jerzy Montag: "Was versteht Obama unter einer 'aggressiven Politik im Nahen Osten?"

Dennoch: Die Region von Kairo bis Bombay halte er, so der ehemalige Botschafter, zur Zeit für die gefährlichste der Welt und hier sei in der Tat ein „ambitionierter“ US-Präsident gefragt. In den letzten 8 bis 10 Jahren seien neben Ägypten, der Irak, der Iran und Pakistan – Länder mit fast ausschließlicher muslimischer Bevölkerung – zu den Hauptakteuren in dem Konflikt geworden, auch mit der Unterstützung des internationalen Terrors, wenn nicht staatlich, dann aus der Bevölkerung. Obama müsse nun den gemäßigten arabischen Staaten deutlich zu machen, dass eine Lösung des Nahost-Konflikts auch in ihrem Sinne sei – wirtschaftlich, politisch und kulturell. Global befinde man sich heute in einer schweren Wirtschaftskrise mit sinkenden Erdöleinnahmen für die Förderländer, Haushaltsdefiziten und kaum noch vorhandenen Ressourcen. Deshalb könne man nur gemeinsam – das Nahost-Quartett gemeinsam mit den arabischen Staaten – durch Aufbauhilfe und Ausbildungsförderung für die Palästinenser eine Befriedung herbeiführen und damit auch Israel helfen. Die erkennbaren kooperativen Ansätze auf Seiten eines Teils der Arabischen Liga – müssten unbedingt aufgegriffen werden. Da setze er große Hoffnungen in Obama. Neben Ägypten könne künftig auch der Irak eine positive Rolle spielen. Selbst was Syrien angeht, so sah Kornblum hoffnungsvolle Ansätze. Immerhin habe die Regierung Assad seit kurzem auch eine Botschaft in Beirut, nachdem der Libanon bisher nur als Anhängsel Syriens galt. Ein neuer Pragmatismus sei offenbar die Devise.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Prof. Gert Weisskirchen, fragte nach den Gefahren durch die Radikalisierung der Nachbbarregion um Israel.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Prof. Gert Weisskirchen, fragte nach den Gefahren durch die Radikalisierung der Nachbbarregion um Israel.

Angesprochen auf seine Haltung zum Gaza-Krieg, betonte Kornblum, dass er ihn nach der jahrelangen Bedrohung durch die Hamas-Raketen für „berechtigt“. Möglicherweise sei er sogar „zu früh beendet“ worden, da die Nachschublinien der Hamas nicht gekappt werden konnten. Es sei im übrigen kein Zufall, dass die Israelis die Angriffe auf Gaza nur wenige Wochen vor der US-Wahl begonnen hätten. Dieses „action forcing event“ sollte dem neuen US-Präsidenten wohl klar machen, dass sich Israel von der Hamas nicht länger vorführen lasse.

Der Iran, so Kornblum, müsse als „gefährlichstes Element“ in der Region in den Verhandlungsprozess einbezogen werden, um ihn beeinflussen zu können, so die Antwort Kornblums auf eine andere Frage aus dem Publikum. Einen Dialog mit der Hamas hält Kornblum aber nur dann für sinnvoll, wenn es wirklich etwas zu besprechen gebe. Ein guter Diplomat, so Kornblum, versuche das zu tun, was er für nützlich hält. Solange das Ziel der Israelis Frieden und das Ziel der Hamas die Vernichtung Israels, d.h. Krieg sei, hält er einen Dialog für wenig sinnvoll.

Einige Jungspunte der Jungen Union im Publikum störten sich an den klaren Worten des ehemaligen Botschafters gegenüber George W. Bush. Kornblum akzeptierte, dass man hier gerne unterschiedlicher Meinung sein könne, dennoch bleibe er dabei, dass Bush den Friedensprozess im Grunde acht Jahre lang vernachlässigt habe. Nach dem Scheitern der Gespräche in Camp David auf Initiative von Bill Clinton hätte Bush einen neuen Versuch machen müssen, Israelis und Palästinenser an den Verhandlungstisch zurück zu holen und sich um die Einbeziehung der arabischen Staaten in den Prozess kümmern müssen. Heute müsse man leider von vorne anfangen.

Eine junge Studentin schließlich wollte wissen, warum sich die USA als „Garant für die Sicherheit Israels“ fühlten. Kornblums Antwort: Israel kämpfe seit Staatsgründung im Jahr 1948 um sein Überleben und brauche deshalb einen starken Partner. Die USA teilten mit der israelischen Demokratie die gleichen Werte und die gleiche Kultur. In Israel hätten Überlebende des Holocaust eine neue Heimat und bedrohte Juden in der ganzen Welt eine Zuflucht gefunden, die es auch in Zukunft zu sichern gelte, so der ehemalige US-Botschafter.

Dr. Gesine Palmer: Wie sollen wir mit dem Iran umgehen?"
Dr. Gesine Palmer: Wie sollen wir mit dem Iran umgehen?"
"Warum verstehen sich die USA als 'Garant der Sicherheit Israels?"
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Am Ende ging kein Besucher ohne neue Denkanstöße nach Hause, auch wenn man nicht mit allem übereinstimmen mochte. Auf jeden Fall war es ein Erlebnis, den früheren Botschafter einmal als „Privatier“ zu erleben.

Jochen Feilcke im Gespräch mit Jerzy Montag, davor Halina Alayan und eine IPP-Praktikantin des Deutschen Bundestages aus Israel.
Jochen Feilcke im Gespräch mit Jerzy Montag, davor Halina Alayan und eine IPP-Praktikantin des Deutschen Bundestages aus Israel.
Vorstandsmitglied Annegret Mielke hatte noch eine Nachfrage an John C. Kornblum nach seinem Vortrag.
Vorstandsmitglied Annegret Mielke hatte noch eine Nachfrage an John C. Kornblum nach seinem Vortrag.
"Zwei Amerikaner unter sich": John C. Kornblum und der Bauhistoriker und Publizist Michael S. Cullen. Beide sind seit Jahren befreundet.
"Zwei Amerikaner unter sich": John C. Kornblum und der Bauhistoriker und Publizist Michael S. Cullen. Beide sind seit Jahren befreundet.

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