Antisemitismus – Israel – und das Internet: eine Studie der TU Berlin

Auf einer sehr gut besuchten Pressekonferenz mit großer medialer Aufmerksamkeit hat die Kognitionswissenschaftlerin Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schwarz-Friesel, Leiterin des Fachgebietes Allgemeine Linguistik, mit ihrem Team die Ergebnisse der Langzeitstudie „Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses“ vorgestellt. Unter diesem Link ist die Studie Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses: Judenfeindschaft als kulturelle Konstante und kollektiver Gefühlswert im digitalen Zeitalter im pdf-Format für den freien Download zur Verfügung gestellt worden. Die umfangreiche Studie zur Antisemitismusforschung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DIG) in den Jahren von 2014 bis 2018 gefördert, um einen Einblick in die Artikulation, Überlieferung, Verbreitung und Manifestation von Judenhass im digitalen Zeitalter zu ermöglichen.

In der digitalen Welt wird kulturellem Antisemitismus in zahlreichen Facetten Ausdruck verliehen. Unter anderem gibt es laut Studie den „Israelbezogenen Antisemitismus“, welcher mit 33,4% „eine vorherrschende Ausprägungsvariante von Judenhass“ ist und „alle Merkmale der klassischen Judenfeindschaft (De-Realisierung und Diffamierung durch Abgrenzung, Stereotypfixierung, Entwertung)“ aufweist. Diese schriftliche Darlegung eines Beispiels des Antisemitismus im 21. Jahrhundert betont, dass „judeophobe Israelfeindschaft eine besonders dominante Erscheinungsform von Judenhass [ist und] sich auf allen Ebenen und Kommunikationsbereichen auch ohne thematischen Bezug zu Israel/Nahost“ zu finden ist“. In dem Fazit der Studie wird die Entwicklung des digitalen „Antisemitismus“ in Verbindung mit historisch bedingten gesellschaftlichen Phänomenen in Deutschland gebracht:

Der Zivilisationsbruch des Holocausts hat Teile der Gesellschaft in Bezug auf judenfeindliches Gedankengut nicht geläutert, seine Thematisierung wenig sensibilisiert für die Gefahren von diffamierenden und dämonisierenden Sprachgebrauchsmustern. Antisemitismus ist heute in Deutschland noch immer und seit einigen Jahren wieder zunehmend ein besorgniserregendes Phänomen.

Die Pressekonferenz schloss mit einer Fragerunde ab, welche interessante Themen zum Vorschein brachte. Unter anderem schlug die Autorin des Buches „Der letzte Rabbiner“ vor einen Kurs „Judentum“ für Lehramtsstudenten als Pflichtfach einzuführen um antisemitischen Strömungen bei der Schülerschaft effektiv entgegenwirken zu können. In Reaktion auf Gunda Trepps Anmerkung, berichtete Prof. Schwarz-Friesel von einer sichtbaren anti-Haltung gegenüber der Lehre des Holocausts an Schulen. Wenn man allerdings Avi Primors Tour durch Brandenburg ins Gedächnis ruft (https://www.digberlin.de/oranienburg-avi-primor-70-jahre-israel-land-der-vielfalt-land-der-kontroversen/), erinnern wir uns an ein hohes Interesse bei Schülern in Oranienburg in Bezug auf Israel und historisch gewachsenenem jüdischen Leben. Die Verknüpfung von jüdischem Leben in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird durch den Staat Israel für Deutsche greifbar und dient daher als einer der Schlüssel für Sensibilisierung und das Erkennen von Vorurteilen gegenüber Juden allgemein.

Am Ende der Veranstaltung bildete sich noch eine Diskussionstraube. Das besprochene Kernproblem handelte von möglichen „sprachlichen Fettnäppchen“, die Journalisten vermeiden wollen, um nicht als antisemitisch verdächtigt zu werden. In Reaktion darauf merkte Jochen Feilcke an, dass zum Beispiel die Bezeichnung jüdische „Mitbürger“ in der Öffentlichkeit weit verbreitet ist, was de facto eine „liebevolle“ Ausgrenzung von Juden in Deutschland bedeutet. Weiterhin fügte Feilcke hinzu: „Was bedeutet Mit“? Der Zusammenhang der beiden Anliegen scheint im Folgenden sichtbar zu werden: mit sprachlicher Sorgfalt können wir in der deutschen Gesellschaft auf verinnerlichte Vorurteile gegenüber Juden aufmerksam machen und sie somit langfristig ausräumen.

Wir planen für den Herbst 2018 eine Diskussionsveranstaltung mit Frau Professor Schwarz-Friesel bei der DIG Berlin-Brandenburg.

Autorin: Dr. Anya Quilitzsch

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