Am 11. Juni 2009 sprachen die beiden Gewerkschaftschefs Ofer Eini und Michael Sommer über die „verlässliche Partnerschaft“ zwischen Histadrut und DGB

Bericht und Fotos von Meggie Jahn
Trotz regnerischen Wetters fanden am 11. Juni rund 80 Gewerkschafter und DIG-Mitglieder in das denkmalgeschützte Haus des DGB Berlin-Brandenburg in der Keithstraße/Berlin-Tiergarten. Der Veranstaltungssaal ist benannt nach Wilhelm-Leuschner, den DGB-Chef Michael Sommer insbesondere wegen seiner aufrechten Haltung in der NS-Zeit zu seinen Vorbildern zählt, wie er in seinem Eingangstatement unterstrich. Jochen Feilcke, Moderator des Abends, bedankte sich bei unserem Mitglied Ulrike Sommer für die Anregung zu dieser ersten Kooperationsveranstaltung mit dem DGB. „Familienwirtschaft“ (sei) in bestimmten Fällen doch sehr zu empfehlen“, so der Vorsitzende der DIG Berlin und Potsdam.
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Ofer Eini (rechts) mit Dolmetscher Yechiel Popper
Ofer Eini gab zunächst einen Einblick in die Geschichte der israelischen Gewerkschaft Histadrut, die von einer der bedeutendsten (vor-)staatlichen Institutionen in Israel mit enger Verbindung zur Arbeitspartei durch die Trennung von der Krankenkasse Kupat Cholim unter Chaim Ramon 1994 an Bedeutung und Mitgliedern verloren hatte. Seit seiner Amtsübernahme 2006 jedoch stiegen die Zahlen wieder, was auch für die Mitglieder arabischer Herkunft – Drusen, Christen und Muslime, gelte. Inzwischen habe die Histadrut auch in arabischen Städten und Dörfern Zweigstellen, betreibe eigene Kindergärten und streite für Gleichberechtigung.
Es sei deshalb „absurd“, wenn beispielsweise der südafrikanische Gewerkschaftsverband COSATU, aber auch die größte Gewerkschaft Großbritanniens UNISON zuletzt im Zuge des Libanon- und Gaza-Krieges erneut zum Boykott Israels aufriefen. In den letzten Jahren habe sich die Histadrut erfolgreich darum bemüht, „Brücken zu den palästinensischen Arbeitern in Israel aufzubauen“. Er nannte dabei das Abkommen zwischen Histadrut und PGFTU (Palestinian General Federation of Trade Unions) vom vergangenen Jahr, das dafür gesorgt hatte, dass den palästinensischen Arbeitern in Israel noch die ihnen zustehenden Beiträge für die Sozialversicherung und Verwaltungskosten überweisen wurden. Die Histadrut sei heute anerkannter und respektierter Vertreter auch der Palästinenser gegenüber ihren Arbeitgebern in Israel. Eini verwies zugleich auf die jüngste Übereinkunft mit der PGFTU über ein Ausbildungsprogramm für 30 palästinensische Lehrlinge, denen nach einem erfolgreichen Abschluss des Kurses dauerhafte Arbeitsplätze garantiert würden. Im Zuge der Finanzkrise sei es der Histadrut gelungen, Arbeitgeber und Gewerkschafter an einen Tisch zu holen und eine breite Front gegen die Regierung zu bilden, damit der Sozialhaushalt den Anforderungen entsprechend ausgestattet wird. Angesichts der drohenden Entlassung von rund 100 000 Arbeitgebern in Israel habe man gemeinsam einen Wirtschaftsplans bzw. „Package Deal“ verabredet und für den öffentlichen und privaten Sektor einen Fonds in Höhe von 2 Mio Schekel erkämpft, aus dem Firmen unterstützt werden können. Auch sei die Histadrut beim Thema Kurzarbeit und unbezahltem Urlaub kompromißbereit gewesen, sofern Sozialversicherungen weiter gezahlt würden.
Die Histadrut positioniere sich heute „in der Mitte der Gesellschaft“, ihre Mitglieder stammten nicht mehr nur aus der Arbeitspartei, sondern seien Mitglieder des Likud, der Kadima und sogar der religiösen Schas-Partei. Einen großen Erfolg sehe er in der Abwendung eines riesigen Schadens für die israelische Wirtschaft durch die Reduktion der 1 1/2 Mio. Streiktage um rund 90 %, so der Histadrut-Vorsitzende. Durch die Steigerung ihrer Mitgliederzahlen könne die Histadrut heute wieder glaubwürdiger mit Streik drohen, ohne ihn wirklich umsetzen zu müssen.
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v.l.: Ofer Eini, Michael Sommer und Jochen Feilcke
DGB-Chef Sommer bestätigte die erfolgreiche Politik seines israelischen Gewerkschaftskollegen und übte wie er Kritik an den unsäglichen Boykottaufrufen vor allem von Dienstleistungsgewerkschaften in Südafrika, Großbritannien, aber auch in anderen europäischen Ländern. Diese Aufrufe fügten den erfreulichen Entwicklungen innerhalb der israelischen Gewerkschaft großen Schaden zu. Ihn erinnerten diese an den bekannten Nazi-Slogan „Kauft nicht bei Juden“. Der DGB unterstütze vielmehr die Gewerkschaftsinitiative TULIP (Trade Unions Linking Israel and Palestine), die im April 2009 von drei Gewerkschaftsfunktionären aus Australien, Kanada/den USA sowie Großbritannien ins Leben gerufen worden sei und sich eindeutig dagegen wendet.
Tatsächlich gebe es trotz der ersten und zweiten intifada noch palästinensische Arbeiter in Israel. Auch der Oberste Gerichtshof habe die Initiative der Histadrut untermauert, dass das Lohnniveau demjenigen der israelichen Arbeiter angepaßt werden müsse und auch bei den Pensionsabkommen kein Unterschied mehr zwischen israelischen und arabischen Arbeitern gemacht werde, was auch für ihren Anspruch auf Rechtshilfe gelte nach dem Motto: „Jeder Mensch hat das Recht in Würde Geld zu verdienen“. Für die palästinensische Gewerkschaft sei es durch die Konflikt- bzw. Kriegsgesellschaft extrem schwierig, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, zumal sie auch für palästinensische Wanderarbeiter in Saudi-Arabien, Jordanien und den Emiraten sprechen müßten.
Bei der Gelegenheit richtete Sommer auch einen Dank an die FES, die gemeinsam mit dem DGB den Dialog zwischen den Gewerkschaften fördere, denn wer Frieden erreichen wolle, müsse auch den politischen Dialog zwischen den Beschäftigten stärken. Zum Erstaunen im Publikum trug bei, dass es auch in arabischen (Jordanien, Ägypten) bzw. muslimischen Ländern (Pakistan, Indonesien, Marokko) z.T. starke Gewerkschaften gebe, die ebenfalls am Dialog beteiligt seien.
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Sommer, der im September 2005 mit seiner Familie an der Kundgebung gegen den Al-Quds-Tag teilgenommen hatte, gilt in DIG-Kreisen als treuer Freund Israels. 2007 hatte er sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die sich gegen nationale und internationale Boykottaufrufe gegenüber Israel aussprach. In Südafrika hatte der Gewerkschaftskongress COSATU eine ernsthafte diplomatische Verstimmung zwischen Johannesburg und Jerusalem herbeigeführt. Dies sei in Deutschland völlig undenkbar, so der DGB-Vorsitzende.
Die Freundschaft zwischen Sommer und Eini geht offenbar zurück auf die gute Zusammenarbeit der beiden noch als Vorsitzende zweier Dienstleistungsgewerkschaften. Die Verbindung von DGB und Histadrut geht weiter zurück: Nach Gründung des Internationalen Gewerkschaftsbunds im Jahr 1949 hatten sich deutsche und israelische Gewerkschafter nachdrücklich für das „Wiedergutmachungs“abkommen zwischen der Bundesrepublik und Israel eingesetzt. Walter Hesselbach, Bankmanager und Vorsitzender der Gewerkschaftsholding BGAG, erklärte Sommer, hätte sich sehr früh für eine enge Verbindung des DGB mit Israel engagiert. Später war er auch Ehrenpräsident der DIG. 1957 gab es erste offizielle Kontakte deutscher Gewerkschafter nach Israel. Seit 1963 treffen sich regelmäßig Jugenddelegationen von DGB und Histadrut in Israel und Deutschland. 1964 hatte der DGB mit einer bundesweiten Unterschriftenaktion für die Anerkennung Israels Aufsehen erregt. Im Sechstage-Krieg habe der DGB eindeutige Bekenntnisse zum Existenzrecht Israels abgegeben. 1975 schließlich sei ein offizielles Partnerschaftsabkommen geschlossen worden, so der DGB-Vorsitzende.
Er erinnerte auch an seinen letzten Besuch in Israel und sein Treffen mit Einis Amtsvorgänger Amir Peretz im Jahr 2003, bei dem sie gemeinsam Jerusalem besucht und bis in die Nacht über die Rechtmäßigkeit der Mauer bzw. die Situation in Gaza diskutiert hätten. Sommer betonte in dem Zusammenhang, es gebe niemanden im DGB, der das Existenzrecht Israels anzweifle oder Antisemitismus verteidige. Die Freundschaft zwischen beiden Gewerkschaften sei „keine reine Floskel“, sondern werde sehr ernsthaft gelebt. Unvergeßlich sei ihm der Besuch seines Gewerkschaftskollegen Gershon aus Haifa in Berlin, bei dem es diesem gelungen war, eine „emotionale Beziehung“ zum Nahost-Konflikt herzustellen. Mit Blick auf den belebten Hackeschen Markt hatte er ihn gefragt, was wohl in Berlin los wäre, wenn vor ihren Augen ein Selbstmordattentäter eine Bombe zünden würde. Dies sei damals – vor dem Bau der Mauer – die Realität in Israel gewesen.
Diskussion:
In der anschließenden Diskussion wurden Fragen zum Umgang mit dem Iran, zu einer immer wieder spürbaren israelfeindlichen Stimmung in der deutschen Gesellschaft und vor allem Ignoranz gegenüber den Gefahren, denen sich Israel gegenüber sehe, thematisiert. Gefragt nach Friedensperspektiven für Nahost warb Eini auch für Verständnis gegenüber der neuen Regierung. Auch Netanjahu wolle den Frieden voranbringen, wohingegen die Hamas erklärtermaßen daran festhalte, Israel die Existenzberechtigung abzusprechen und den Süden weiter mit Kassam-Raketen zu bedrohen, auch wenn diese nach dem Gaza-Krieg abgenommen hätten. Ehud Barak sei der Regierung beigetreten, weil er wisse, dass beide Völker – Israelis und Palästinenser – Frieden wollten. Nur wenn sich die wirtschaftliche Lage verbessere, gebe es für beide Seiten Hoffnung. Nun sei es an den politischen Führern, dem Wunsch ihrer Völker nach Ruhe, einem auskömmlichen und sicheren Leben nachzukommen und Frieden zu schaffen.
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Im Hintergrund: Ulrike Sommer
Eine in Berlin lebende Israelin fragte den DGB-Chef nach seiner Haltung zur Unterstützung der deutschen Wirtschaft für das iranische Regime und kritisierte den Nah- und Mittelostverein NUMOV, der darum bemüht sei, den Handel mit dem Iran auf Kosten der nationalen Sicherheit Israels auszubauen. Sommer signalisierte Verständnis für die Kritik, man könne auch von Unternehmen erwarten, dass sie „wirtschaftliche Interessen nicht von moralischen Verpflichtungen trennten. Dennoch sei es nicht Aufgabe des DGB, an erster Stelle den Kampf gegen das iranische Regime zu führen, doch dürfe „das Arbeitsplatzargument nicht jede Sauerei rechtfertigen“, unterstrich Sommer. Er appellierte an das Publikum, jeder müsse an seinem Ort versuchen, die deutsche Öffentlichkeit für die schwierige Situation Israels zu sensibilisieren und eine Atmosphäre zu schaffen, die auch Politik und Wirtschaft dazu bringe, kritischer mit dem Iran umzugehen.
In dem Zusammenhang stellte Sommer auch seine Haltung zu Israel noch mal klar: Für ihn persönlich bleibe das deutsch-israelische Verhältnis „ein besonderes“, Forderungen nach einer Normalisierung der Beziehungen, die meist dem Bedürfnis entsprängen, Israel anzugreifen, wies er zurück. Er konstatierte denn auch einen “latenten Antisemitismus” in Deutschland. Zugleich wandte sich der DGB-Chef gegen den oft gehörten Ausspruch, die Kritik richte sich ja „nicht gegen die Juden, sondern nur gegen Israel“. Jeder an seiner Stelle müsse versuchen, die Öffentllichkeit für die berechtigten Interessen Israels zu sensibilisieren. Auch der DIG sei an dieser Stelle für ihr Engagement in dieser Richtung zu danken.
Ein Lehrer im Publikum beschrieb die Erfahrung seines Sohnes, der im Rahmen eines Projekts an der Schule eine Beschäftigung mit Israel angeregt hatte. Der Lehrer habe nichts davon wissen wollen und dabei auf die schlimme Politik Israels mit dem Gaza-Krieg hingewiesen. Eine solche Haltung sei leider gerade bei den in den 68ern sozialisierten Lehrern keine Seltenheit, so Jochen Feilcke, sie sähen allein die Palästinenser in ihrer Opferrolle.
Ofer Eini bedankte sich bei der FES, dem DGB und der DIG für die freundliche Einladung und schenkte sowohl Michael Sommer als auch Jochen Feilcke ein Bild mit der schützenden Hand der Fatima.
Zum Schluss sei aus dem Gründungstext von Tulip zitiert: „A number of those unions (University College Union, England etc.) have called for boycotts and sanctions directed against Israel, and o nly against Israel. They are attempting to demonize the Jewish state, to deny its legitimacy, and to whip up hatred against it. Sometimes that hatred even spills over into anti-Semitism. Those unions are wrong – terribly wrong.‘

Bericht und Fotos von Meggie Jahn

Trotz regnerischen Wetters fanden am 11. Juni rund 80 Gewerkschafter und DIG-Mitglieder in das denkmalgeschützte Haus des DGB Berlin-Brandenburg in der Keithstraße/Berlin-Tiergarten. Der Veranstaltungssaal ist benannt nach Wilhelm-Leuschner, den DGB-Chef Michael Sommer insbesondere wegen seiner aufrechten Haltung in der NS-Zeit zu seinen Vorbildern zählt, wie er in seinem Eingangstatement unterstrich. Jochen Feilcke, Moderator des Abends, bedankte sich bei unserem Mitglied Ulrike Sommer für die Anregung zu dieser ersten Kooperationsveranstaltung mit dem DGB. „Familienwirtschaft“ (sei) in bestimmten Fällen doch sehr zu empfehlen“, so der Vorsitzende der DIG Berlin und Potsdam.

Ofer Eini gab zunächst einen Einblick in die Geschichte der israelischen Gewerkschaft Histadrut, die von einer der bedeutendsten (vor-)staatlichen Institutionen in Israel mit enger Verbindung zur Arbeitspartei durch die Trennung von der Krankenkasse Kupat Cholim unter Chaim Ramon 1994 an Bedeutung und Mitgliedern verloren hatte. Seit seiner Amtsübernahme 2006 jedoch stiegen die Zahlen wieder, was auch für die Mitglieder arabischer Herkunft – Drusen, Christen und Muslime, gelte. Inzwischen habe die Histadrut auch in arabischen Städten und Dörfern Zweigstellen, betreibe eigene Kindergärten und streite für Gleichberechtigung.

Es sei deshalb „absurd“, wenn beispielsweise der südafrikanische Gewerkschaftsverband COSATU, aber auch die größte Gewerkschaft Großbritanniens UNISON zuletzt im Zuge des Libanon- und Gaza-Krieges erneut zum Boykott Israels aufriefen. In den letzten Jahren habe sich die Histadrut erfolgreich darum bemüht, „Brücken zu den palästinensischen Arbeitern in Israel aufzubauen“. Er nannte dabei das Abkommen zwischen Histadrut und PGFTU (Palestinian General Federation of Trade Unions) vom vergangenen Jahr, das dafür gesorgt hatte, dass den palästinensischen Arbeitern in Israel noch die ihnen zustehenden Beiträge für die Sozialversicherung und Verwaltungskosten überweisen wurden. Die Histadrut sei heute anerkannter und respektierter Vertreter auch der Palästinenser gegenüber ihren Arbeitgebern in Israel. Eini verwies zugleich auf die jüngste Übereinkunft mit der PGFTU über ein Ausbildungsprogramm für 30 palästinensische Lehrlinge, denen nach einem erfolgreichen Abschluss des Kurses dauerhafte Arbeitsplätze garantiert würden. Im Zuge der Finanzkrise sei es der Histadrut gelungen, Arbeitgeber und Gewerkschafter an einen Tisch zu holen und eine breite Front gegen die Regierung zu bilden, damit der Sozialhaushalt den Anforderungen entsprechend ausgestattet wird. Angesichts der drohenden Entlassung von rund 100 000 Arbeitgebern in Israel habe man gemeinsam einen Wirtschaftsplans bzw. „Package Deal“ verabredet und für den öffentlichen und privaten Sektor einen Fonds in Höhe von 2 Mio Schekel erkämpft, aus dem Firmen unterstützt werden können. Auch sei die Histadrut beim Thema Kurzarbeit und unbezahltem Urlaub kompromißbereit gewesen, sofern Sozialversicherungen weiter gezahlt würden.

Die Histadrut positioniere sich heute „in der Mitte der Gesellschaft“, ihre Mitglieder stammten nicht mehr nur aus der Arbeitspartei, sondern seien Mitglieder des Likud, der Kadima und sogar der religiösen Schas-Partei. Einen großen Erfolg sehe er in der Abwendung eines riesigen Schadens für die israelische Wirtschaft durch die Reduktion der 1 1/2 Mio. Streiktage um rund 90 %, so der Histadrut-Vorsitzende. Durch die Steigerung ihrer Mitgliederzahlen könne die Histadrut heute wieder glaubwürdiger mit Streik drohen, ohne ihn wirklich umsetzen zu müssen.

DGB-Chef Sommer bestätigte die erfolgreiche Politik seines israelischen Gewerkschaftskollegen und übte wie er Kritik an den unsäglichen Boykottaufrufen vor allem von Dienstleistungsgewerkschaften in Südafrika, Großbritannien, aber auch in anderen europäischen Ländern. Diese Aufrufe fügten den erfreulichen Entwicklungen innerhalb der israelischen Gewerkschaft großen Schaden zu. Ihn erinnerten diese an den bekannten Nazi-Slogan „Kauft nicht bei Juden“. Der DGB unterstütze vielmehr die Gewerkschaftsinitiative TULIP (Trade Unions Linking Israel and Palestine), die im April 2009 von drei Gewerkschaftsfunktionären aus Australien, Kanada/den USA sowie Großbritannien ins Leben gerufen worden sei und sich eindeutig dagegen wendet.

Tatsächlich gebe es trotz der ersten und zweiten intifada noch palästinensische Arbeiter in Israel. Auch der Oberste Gerichtshof habe die Initiative der Histadrut untermauert, dass das Lohnniveau demjenigen der israelichen Arbeiter angepaßt werden müsse und auch bei den Pensionsabkommen kein Unterschied mehr zwischen israelischen und arabischen Arbeitern gemacht werde, was auch für ihren Anspruch auf Rechtshilfe gelte nach dem Motto: „Jeder Mensch hat das Recht in Würde Geld zu verdienen“. Für die palästinensische Gewerkschaft sei es durch die Konflikt- bzw. Kriegsgesellschaft extrem schwierig, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, zumal sie auch für palästinensische Wanderarbeiter in Saudi-Arabien, Jordanien und den Emiraten sprechen müßten.

Bei der Gelegenheit richtete Sommer auch einen Dank an die FES, die gemeinsam mit dem DGB den Dialog zwischen den Gewerkschaften fördere, denn wer Frieden erreichen wolle, müsse auch den politischen Dialog zwischen den Beschäftigten stärken. Zum Erstaunen im Publikum trug bei, dass es auch in arabischen (Jordanien, Ägypten) bzw. muslimischen Ländern (Pakistan, Indonesien, Marokko) z.T. starke Gewerkschaften gebe, die ebenfalls am Dialog beteiligt seien.

Sommer, der im September 2005 mit seiner Familie an der Kundgebung gegen den Al-Quds-Tag teilgenommen hatte, gilt in DIG-Kreisen als treuer Freund Israels. 2007 hatte er sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die sich gegen nationale und internationale Boykottaufrufe gegenüber Israel aussprach. In Südafrika hatte der Gewerkschaftskongress COSATU eine ernsthafte diplomatische Verstimmung zwischen Johannesburg und Jerusalem herbeigeführt. Dies sei in Deutschland völlig undenkbar, so der DGB-Vorsitzende.

Die Freundschaft zwischen Sommer und Eini geht offenbar zurück auf die gute Zusammenarbeit der beiden noch als Vorsitzende zweier Dienstleistungsgewerkschaften. Die Verbindung von DGB und Histadrut geht weiter zurück: Nach Gründung des Internationalen Gewerkschaftsbunds im Jahr 1949 hatten sich deutsche und israelische Gewerkschafter nachdrücklich für das „Wiedergutmachungs“abkommen zwischen der Bundesrepublik und Israel eingesetzt. Walter Hesselbach, Bankmanager und Vorsitzender der Gewerkschaftsholding BGAG, erklärte Sommer, hätte sich sehr früh für eine enge Verbindung des DGB mit Israel engagiert. Später war er auch Ehrenpräsident der DIG. 1957 gab es erste offizielle Kontakte deutscher Gewerkschafter nach Israel. Seit 1963 treffen sich regelmäßig Jugenddelegationen von DGB und Histadrut in Israel und Deutschland. 1964 hatte der DGB mit einer bundesweiten Unterschriftenaktion für die Anerkennung Israels Aufsehen erregt. Im Sechstage-Krieg habe der DGB eindeutige Bekenntnisse zum Existenzrecht Israels abgegeben. 1975 schließlich sei ein offizielles Partnerschaftsabkommen geschlossen worden, so der DGB-Vorsitzende.

Er erinnerte auch an seinen letzten Besuch in Israel und sein Treffen mit Einis Amtsvorgänger Amir Peretz im Jahr 2003, bei dem sie gemeinsam Jerusalem besucht und bis in die Nacht über die Rechtmäßigkeit der Mauer bzw. die Situation in Gaza diskutiert hätten. Sommer betonte in dem Zusammenhang, es gebe niemanden im DGB, der das Existenzrecht Israels anzweifle oder Antisemitismus verteidige. Die Freundschaft zwischen beiden Gewerkschaften sei „keine reine Floskel“, sondern werde sehr ernsthaft gelebt. Unvergeßlich sei ihm der Besuch seines Gewerkschaftskollegen Gershon aus Haifa in Berlin, bei dem es diesem gelungen war, eine „emotionale Beziehung“ zum Nahost-Konflikt herzustellen. Mit Blick auf den belebten Hackeschen Markt hatte er ihn gefragt, was wohl in Berlin los wäre, wenn vor ihren Augen ein Selbstmordattentäter eine Bombe zünden würde. Dies sei damals – vor dem Bau der Mauer – die Realität in Israel gewesen.

Diskussion:

In der anschließenden Diskussion wurden Fragen zum Umgang mit dem Iran, zu einer immer wieder spürbaren israelfeindlichen Stimmung in der deutschen Gesellschaft und vor allem Ignoranz gegenüber den Gefahren, denen sich Israel gegenüber sehe, thematisiert. Gefragt nach Friedensperspektiven für Nahost warb Eini auch für Verständnis gegenüber der neuen Regierung. Auch Netanjahu wolle den Frieden voranbringen, wohingegen die Hamas erklärtermaßen daran festhalte, Israel die Existenzberechtigung abzusprechen und den Süden weiter mit Kassam-Raketen zu bedrohen, auch wenn diese nach dem Gaza-Krieg abgenommen hätten. Ehud Barak sei der Regierung beigetreten, weil er wisse, dass beide Völker – Israelis und Palästinenser – Frieden wollten. Nur wenn sich die wirtschaftliche Lage verbessere, gebe es für beide Seiten Hoffnung. Nun sei es an den politischen Führern, dem Wunsch ihrer Völker nach Ruhe, einem auskömmlichen und sicheren Leben nachzukommen und Frieden zu schaffen.

Eine in Berlin lebende Israelin fragte den DGB-Chef nach seiner Haltung zur Unterstützung der deutschen Wirtschaft für das iranische Regime und kritisierte den Nah- und Mittelostverein NUMOV, der darum bemüht sei, den Handel mit dem Iran auf Kosten der nationalen Sicherheit Israels auszubauen. Sommer signalisierte Verständnis für die Kritik, man könne auch von Unternehmen erwarten, dass sie „wirtschaftliche Interessen nicht von moralischen Verpflichtungen trennten. Dennoch sei es nicht Aufgabe des DGB, an erster Stelle den Kampf gegen das iranische Regime zu führen, doch dürfe „das Arbeitsplatzargument nicht jede Sauerei rechtfertigen“, unterstrich Sommer. Er appellierte an das Publikum, jeder müsse an seinem Ort versuchen, die deutsche Öffentlichkeit für die schwierige Situation Israels zu sensibilisieren und eine Atmosphäre zu schaffen, die auch Politik und Wirtschaft dazu bringe, kritischer mit dem Iran umzugehen.

In dem Zusammenhang stellte Sommer auch seine Haltung zu Israel noch mal klar: Für ihn persönlich bleibe das deutsch-israelische Verhältnis „ein besonderes“, Forderungen nach einer Normalisierung der Beziehungen, die meist dem Bedürfnis entsprängen, Israel anzugreifen, wies er zurück. Er konstatierte denn auch einen “latenten Antisemitismus” in Deutschland. Zugleich wandte sich der DGB-Chef gegen den oft gehörten Ausspruch, die Kritik richte sich ja „nicht gegen die Juden, sondern nur gegen Israel“. Jeder an seiner Stelle müsse versuchen, die Öffentllichkeit für die berechtigten Interessen Israels zu sensibilisieren. Auch der DIG sei an dieser Stelle für ihr Engagement in dieser Richtung zu danken.

Ein Lehrer im Publikum beschrieb die Erfahrung seines Sohnes, der im Rahmen eines Projekts an der Schule eine Beschäftigung mit Israel angeregt hatte. Der Lehrer habe nichts davon wissen wollen und dabei auf die schlimme Politik Israels mit dem Gaza-Krieg hingewiesen. Eine solche Haltung sei leider gerade bei den in den 68ern sozialisierten Lehrern keine Seltenheit, so Jochen Feilcke, sie sähen allein die Palästinenser in ihrer Opferrolle.

Ofer Eini bedankte sich bei der FES, dem DGB und der DIG für die freundliche Einladung und schenkte sowohl Michael Sommer als auch Jochen Feilcke ein Bild mit der schützenden Hand der Fatima.

Zum Schluss sei aus dem Gründungstext von Tulip zitiert: „A number of those unions (University College Union, England etc.) have called for boycotts and sanctions directed against Israel, and o nly against Israel. They are attempting to demonize the Jewish state, to deny its legitimacy, and to whip up hatred against it. Sometimes that hatred even spills over into anti-Semitism. Those unions are wrong – terribly wrong.‘

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